Die Angst um den eigenen Arbeitsplatz

Veröffentlicht am 08.06.2021 von dpa

Wenn Unternehmen fusionieren oder restrukturiert werden, sind auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter davon betroffen. Abteilungen werden zusammengelegt, doppelt vorhandene Positionen abgebaut, manchmal wird der Personalkörper grundlegend verschlankt. Dann stellen sich Beschäftigte die Frage: Wird es für mich hier weitergehen und wenn ja, wie? Und wenn nein, was mache ich dann?

Fusion oder Restrukturierung: Was kommt jetzt auf mich zu?

Das passiert auf Unternehmensseite: „Bei Personalentscheidungen überlegen die Vorgesetzten gemeinsam mit der Personalabteilung zunächst: Welche Aufgaben sind vorhanden und welche Personen stehen dafür zur Verfügung? Wo gibt es Synergieeffekte zwischen Tätigkeitsfeldern, sodass Aufgaben sich zusammenlegen lassen? Wie viel Bedarf an Personal gibt es dann wirklich? Wie sehen die neuen Aufgabenfelder aus, passen die bisherigen Mitarbeiter noch dazu?“, erklärt Doris Fay, Professorin für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Universität Potsdam.

Doch das ist nicht alles. „Auch die Mitarbeiter müssen verstehen, wie sich Anforderungen und Aufgabenprofile verändern, um Personalentscheidungen nachvollziehen zu können, sonst brodelt die Gerüchteküche und es entsteht ein Klima der Angst und des Misstrauens“, sagt Marcel Kern, Arbeits- und Organisationspsychologe an der Universität Frankfurt. „Eine transparente und rechtzeitige Kommunikation der bevorstehenden Veränderungen an die Mitarbeiter ist daher für Unternehmen entscheidend.“

Wie überzeuge ich meinen Arbeitgeber davon, dass ich bleiben sollte?

Das entscheidende Argument hierbei lautet Leistung. Diese wird in vielen Firmen durch regelmäßige Mitarbeitergespräche dokumentiert, bei denen man auch seine Weiterentwicklungsmöglichkeiten im Unternehmen ansprechen sollte.

Management-Trainer Johannes Stärk empfiehlt zudem, ein Erfolgstagebuch zu führen, um zu zeigen, welchen Mehrwert man für das Unternehmen bietet.

Das Entscheidende ist, sich nicht zu verkriechen und abzuwarten, sondern proaktiv auf die Unternehmensführung zuzugehen und sich für neue Aufgaben zu melden, um im positiven Sinne sichtbar zu werden.
Management-Trainer Johannes Stärk

Parallel dazu lohnt es sich, am Arbeitsmarkt die Fühler auszustrecken und den eigenen Marktwert zu testen. Das stärkt nicht nur das Selbstwertgefühl und die Verhandlungsposition, es eröffnet auch mögliche Alternativen zur jetzigen Stelle. Die Aktualisierung des Lebenslaufs und Netzwerkpflege auch über Linkedin und Xing sind wichtige Schritte. „Man braucht keine Scheu zu haben, um Hilfe zu bitten und zu überlegen, wo sitzt wer von meinen Kontakten und kann mich unterstützen?“, ermutigt Arbeitspsychologe Marcel Kern.

Die Firma veranstaltet ein internes Assessment Center. Was soll das?

Assessment Center sind beliebte Instrumente zur Personalauswahl und -entwicklung, denn sie können die Verhaltensweisen einer Person in verschiedenen Situationen veranschaulichen. Daher kommen sie längst nicht mehr nur bei Einstellungsverfahren vor. Werden diese Assessment Center jedoch sehr kurzfristig oder mit dem Hinweis angekündigt, sich möglichst nicht vorzubereiten, sollte man hellhörig werden.

„Ich erlebe in meinen Beratungen immer wieder, wie Assessment Center dazu missbraucht werden, um Mitarbeiter loszuwerden, indem man ihnen unlösbare Aufgaben stellt oder ihnen die Chance, sich vorzubereiten, verwehrt“, sagt Assessment-Trainer Stärk. „Den bevorzugten Kandidaten werden dann heimlich die Antworten zugesteckt oder Tipps zur Vorbereitung gegeben.“

Arbeitspsychologe Marcel Kern zufolge geht es dabei um Scheinobjektivität. Bei einem echten Assessment Center seien immer auch Kandidaten erfolgreich, die die Firma eigentlich nicht will. „Tatsächlich erfolgt die Personalauswahl oft nicht nach Leistung, sondern nach persönlicher, intuitiver Präferenz.“ Solch verdeckte Prozesse würden sich aber eigentlich nicht lohnen. „Denn wenn die Zugpferde im Unternehmen diese Ungerechtigkeit wahrnehmen, verlassen sie die Firma oft.“

Soll ich nun bleiben oder gehen?

„Es klingt immer wohlfeil, Leuten zu raten, Veränderungen doch als Chancen zu begreifen. Schließlich hängt am Arbeitsplatz die eigene Existenz, oft auch die der Familie. Eine mögliche Kündigung verursacht natürlich Angst und Stress“, sagt Doris Fay.

Die Arbeits- und Organisationspsychologin rät, das Gespräch mit den Vorgesetzten zu suchen: „Wenn hier ein gutes Verhältnis besteht, wissen diese oft eh schon Bescheid und Mitarbeiter können offensiv sagen, dass sie bleiben wollen, auch bereit wären, sich in ein neues Tätigkeitsfeld einzuarbeiten.“

Wer dennoch gehen muss, sollte die Möglichkeit einer Abfindung prüfen. „Selbst wenn Ihr Ausscheiden aus dem Unternehmen gefordert wird, lassen Sie sich nicht sofort darauf ein, holen Sie sich rechtliche Beratung und schalten Sie den Betriebsrat ein, um die Austrittsmodalitäten zu verhandeln“, empfiehlt Doris-Maria Schuster, Rechtsanwältin für Arbeitsrecht.

In Verhandlungen kann es dann neben Geld etwa auch um die Finanzierung von Weiterbildungen und Outplacement-Beratungen sowie die Übernahme der Anwaltskosten gehen. Beschäftigte sollten nicht gleich das erste Angebot von Seiten des Arbeitgebers annehmen, Bedenkzeit und Nachverhandlungen sind durchaus üblich. „Am Ende des Tages ist es besser, einen guten Vergleich auszuhandeln, statt ein nervenzehrendes Gerichtsverfahren in Kauf zu nehmen.“ (dpa)