Die Abmahnung - das (un-) bekannte Wesen

Veröffentlicht am 04.05.2021 von Dr. Jan Schöll, Rechtsanwalt - Kanzlei Dreher + Partner

Herr Dr. Schöll, was ist denn eigentlich eine Abmahnung?

Eine Abmahnung ist rechtlich die Vorstufe einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Der Arbeitgeber weist den Arbeitnehmer daraufhin, welche vertraglichen Pflichten er einzuhalten hat. Er dokumentiert in der Abmahnung, gegen welche Pflichten der Arbeitnehmer verstoßen hat und rügt diese. Der Arbeitnehmer wird gleichzeitig aufgefordert, diese Pflichtverletzung nicht mehr zu wiederholen. Schließlich droht der Arbeitgeber die Konsequenzen im Wiederholungsfall mit der Abmahnung an. Man spricht deshalb auch davon, dass die Abmahnung eine Rüge-, Dokumentations- und Warnfunktion hat.

Muss ein Arbeitgeber vor jeder Kündigung abmahnen?

Nein, das ist nicht der Fall. Bei betriebsbedingten oder krankheitsbedingten Gründen ist überhaupt keine Abmahnung erforderlich. Grundsätzlich benötigt der Arbeitgeber immer dann eine Abmahnung, wenn es um verhaltensbedingte Pflichtverletzungen geht. Dieser Bereich ist dann berührt, wenn sich der Arbeitnehmer in einer bestimmten Situation auch anders hätte verhalten können, aber nicht wollte.

Können Sie uns ein Beispiel dafür geben?

Das sind die Fälle, in denen ein Arbeitnehmer verschläft und deshalb zu spät kommt, ein Kollege beleidigt wird, Betriebsmittel zerstört werden, der Arbeitnehmer ein Krankmachen ankündigt, etwa für den Fall, dass ihm ein beantragter Urlaub nicht bewilligt wird, etc.

Kann ich also als Arbeitnehmer immer abgemahnt werden, wenn ich zu spät komme?

Nein, das ist nicht der Fall. Wenn ich beispielsweise auf den Zug angewiesen bin, um zur Arbeit zu erscheinen, und so rechtzeitig am Bahnhof bin, dass ich notfalls sogar einen Ersatzzug nehmen könnte, alle Züge an diesem Tag aber ausfallen, liegt sicherlich kein schuldhaftes, abmahnfähiges Verhalten vor. Maßgeblich ist aber immer der konkrete Einzelfall.

Ist es richtig, dass man immer nach drei Abmahnungen wirksam gekündigt werden kann?

Nein, das ist schlicht falsch. Zwar gibt es kein Gesetz, in dem die Abmahnung geregelt ist, in dem man diese Grundsätze nachlesen könnte. Letztlich ist die Abmahnung eine „Erfindung“ der Rechtsprechung. Die Rechtsprechung hat aber keinerlei Grundsätze aufgestellt, in denen sich nachlesen lassen könnte, wie viele Abmahnungen bei welchem Pflichtverstoß notwendig sind. Auch hier gilt immer, dass eine Entscheidung im konkreten Einzelfall zu treffen ist. Maßgeblich ist u. a., wie gravierend die Pflichtverletzung ist und wie lange das Arbeitsverhältnis bereits ungestört verlief.

Gibt es auch Fälle, in denen ein Arbeitgeber ohne Abmahnung kündigen kann?

Selbstverständlich. Die Abmahnung ist nicht erforderlich, wenn die Pflichtverletzung des Arbeitnehmers derart schwerwiegend ist, dass er von vorne herein damit rechnen musste, dass ein verständiger Arbeitgeber in dieser Situation nicht erst abmahnen, sondern sogleich kündigen wird. Das ist etwa bei einem Diebstahl der Fall.

Was macht der Arbeitgeber mit einer ausgesprochenen Abmahnung?

Die Abmahnung nimmt er in die Personalakte, die dort vom Arbeitnehmer jederzeit eingesehen werden kann.

Was kann ein Arbeitnehmer tun, wenn er eine Abmahnung für unberechtigt hält?

Er kann hiergegen eine Klage auf Entfernung der Abmahnung an das Arbeitsgericht erheben. Er kann aber auch eine Gegendarstellung formulieren, also schriftlich erklären, weshalb er die Abmahnung für unberechtigt hält und den Arbeitgeber bitten, diese Darstellung ebenfalls zur Personalakte zu nehmen.

Wann besteht ein solcher Anspruch auf Entfernung der Abmahnung?

Das ist der Fall, wenn die Abmahnung etwa unrichtige Tatsachen enthält, auf einer falschen rechtlichen Bewertung des Verhaltens beruht, wenn sie unverhältnismäßig oder inhaltlich so unbestimmt ist, dass der Arbeitnehmer gar nicht weiß, was ihm eigentlich vorgeworfen wird.

Muss jede Abmahnung nach zwei Jahren aus der Personalakte entfernt werden?

Nein. Es gibt überhaupt keine starren Fristen, innerhalb der der Arbeitgeber die Abmahnung wieder aus der Personalakte entfernen muss. Nur dann, wenn der Arbeitgeber überhaupt kein berechtigtes Interesse mehr daran haben kann, die Abmahnung aufzubewahren, muss sie entfernt werden.

Was ist der Unterschied zwischen einer Ermahnung und einer Abmahnung?

Der Unterschied liegt in der Warnung, dass der Arbeitgeber im Wiederholungsfall das Arbeitsverhältnis kündigen wird. Fehlt dieser Zusatz, liegt i.d.R. eine Ermahnung vor. Das ist üblicherweise auch dann der Fall, wenn der Arbeitgeber in einem Schreiben pauschal mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen droht und nicht konkret mit einer Kündigung im Wiederholungsfall.

 

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