Aktuelles zum Whistleblower – Stand der Umsetzung der EU-Richtlinie

Veröffentlicht am 09.12.2021 von Patrik Wallenstein - Kanzlei Dreher + Partner

Die vom 20.10.2019 datierende Richtlinie der Europäischen Union (2019/1937) zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden (sog. Whistleblower- oder Hinweisgeber-Richtlinie) ist nach deren Art. 7 Abs. 1 bis zum 17.12.2021 durch die nationalen Staaten umzusetzen. Die Umsetzung erfolgt durch Verabschiedung nationaler Gesetze. Mit der Richtlinie und den daraufhin ergehenden nationalen Gesetzen wird der Schutz von Hinweisgebern konkretisiert. Es muss dann nicht mehr auf die Rechtsprechung der Arbeitsgerichte sowie des europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) durchgegriffen werden. Wie die Richtlinie konkret umzusetzen ist, war unter den bisherigen Regierungsparteien umstritten. Die Zeit drängt, der Tag der Umsetzung naht. Bis jetzt existiert allerdings lediglich ein Referentenentwurf des Bundes des Bundesministeriums der Justiz. Die Richtlinie sieht vor, dass Personen geschützt werden, die Verstöße gegen das Unionsrecht im Stimmrecht melden – etwa wenn es um die Aufträge, Finanzdienstleistungen, Produktsicherheit, Verkehrssicherheit, Umweltschutz, Lebensmittel, öffentlich Gesundheit, Verbraucherschutz und Datenschutz geht. Der Referentenentwurf sieht darüber hinaus vor, dass das auch für das entsprechende nationale Recht zu gelten hat. Erfasst werden deshalb auch Hinweise zu Strafrechtsverstößen und Ordnungswidrigkeiten. Ihrer Ankündigung, diesen Referentenentwurf bis zum Ende der letzten Legislaturperiode zu verabschieden, ist die bisherige Bundesregierung nicht nachgekommen. Die neue Regierung wird sich dem kurzfristig annehmen müssen. Der Koalitionsvertrag sieht die Umsetzung auf seiner Seite 111 vor. Danach will die neue Regierung weitgehend an dem Regierungsentwurf der früheren Koalition festhalten. Sie will insbesondere auch einen überschießenden, also über die Richtlinie hinausgehenden Schutz des Meldenden beibehalten.

Die zeitnah erforderliche Umsetzung der Richtlinie ist Anlass, einen kurzen Blick auf den Stand des Regierungsentwurfes zu werfen. Damit sollen sich Arbeitgeber auf die auf sie zukommenden Aufgaben einstellen können:

1. Allgemeine Vorschriften

In einem ersten Abschnitt des Entwurfs (§§ 1-6) werden einige allgemeine Vorschriften vorangestellt, die sich unter anderem mit dem sachlichen und persönlichen Geltungsbereich beschäftigen. In persönlicher Hinsicht sollen danach alle Personen erfasst sein, die in ihrem beruflichen Umfeld Informationen über Verstöße erlangt haben und diese an die nach dem Gesetz einzurichtenden Meldestellen melden oder offenlegen. In sachlicher Hinsicht findet das Gesetz auf die Meldung und Offenlegung von Informationen über straf- und bußgeldbewehrte Verstöße wie auch bei Verstößen gegen Gesetze, Rechtsverordnungen und sonstige Vorschriften Anwendung.

2. Meldungen

Der zweite Abschnitt befasst sich mit den Vorschriften der §§ 7-30 umfangreich mit den Meldungen der hinweisgebenden Personen, denen mit internen und externen Meldekanälen zwei gleichwertig nebeneinanderstehende Meldewege zur Wahl stehen. Wenn einem intern gemeldeten Verstoß nicht abgeholfen wurde, bleibt es der hinweisgebenden Person gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 des Entwurfes unbenommen, sich anschließend an eine externe Meldestelle zu wenden.

Es besteht eine Dokumentationsverpflichtung der Meldestelle durch eine Tonaufzeichnung, eine Zusammenfassung ihres Inhalts in Form eines Vermerks oder eine vollständige und genaue Niederschrift des Wortlauts in Form eines Protokolls (§ 9 des Entwurfs).

Arbeitgeber (sogenannte Beschäftigungsgeber) und Dienststellen mit der Regel mindestens 50 Beschäftigen sind gemäß § 10 des Entwurfs verpflichtet, eine Stelle für interne Meldungen einzurichten und zu betreiben, an die sich die Beschäftigten wenden können (sogenannte interne Meldestellen). Für einige Bereiche besteht diese Verpflichtung unabhängig von der Beschäftigtenzahl. Die Meldestelle muss Aufklärung betreiben, die Stichhaltigkeit einer Meldung prüfen und gegebenenfalls Folgemaßnahmen ergreifen. Die Stelle kann intern oder extern (ausgelagert) sowie bei mehreren Beschäftigungsstellen mit in der Regel 50 bis 249 Beschäftigten auch gemeinsam mit anderen Beschäftigungsgebern betrieben werden.

Der Hinweisgeber sollte nach § 7 Abs. 1 S. 1 des Entwurfes ein Wahlrecht zwischen interner und externer Meldung haben. Missverständlich ist in diesem Zusammenhang allerdings die Regelung unter § 7 Absatz ein S. 2 des Entwurfes. Dabei heißt es, dass dem Hinweisgeber unbenommen bleibt, sich anschließend (!) an eine externe Meldestelle zu wenden, wenn (!) einem intern gemeldeten Verstoß nicht abgeholfen wurde. Praktisch über die Hintertüre wird von dem Meldenden also doch verlangt, dass er die Meldung zunächst intern machen muss.

Die Meldung selbst muss in mündlicher Form oder in Textform möglich sein. Auf die eingegangene Meldung dürfen nur die für die Entgegennahme und Bearbeitung der Meldung zuständigen Personen Zugriff haben. Die hinweisgebende Person kann verlangen, dass innerhalb einer angemessenen Zeit die Weitergabe an die für die Entgegennahme einer Meldung zuständigen Personen der internen Meldestelle erfolgt.

§ 17 des Entwurfs sieht in diesem Zusammenhang Verfahrensschritte vor, die nach Eingang der Meldung einzuhalten sind: Bestätigung der hinweisgebenden Person über den Eingang einer Meldung spätestens nach sieben Tagen, Haltung des Kontakts mit der hinweisgebenden Person, Prüfung der Stichhaltigkeit der eingegangenen Meldung, erforderlichenfalls Anforderungen von weiteren Informationen und ergreifen angemessener Folgemaßnahmen.

Darüber hinaus ist eine externe zentrale Anlaufstelle, an die sich Hinweisgeber wenden können, einzurichten. Diese ist gemäß § 19 des Entwurfs durch den Bund bei dem Beauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit einzurichten. Außerdem kann jedes Bundesland eine eigene externe Meldestelle einrichten.

Eine Regelung dazu, wie tatsächlich mit anonymen Hinweisen verpflichtend umzugehen ist, ist im Entwurf nicht vorgesehen. Es müssen deshalb auch keine irgendwie gearteten technischen Mittel oder Verfahren zum Umgang mit anonymen Meldungen durch die Meldestelle vorgehalten werden. Damit sollen zusätzliche Kosten erspart bleiben.

§ 15 Absatz Abs. 1 S. 1 des Entwurfs sieht vor, dass die mit den Aufgaben einer internen Meldestelle beauftragten Personen bei der Ausübung ihrer Tätigkeit unabhängig sein sollen. Was damit gemeint ist, bleibt offen. Eine abhängige Beschäftigung, also einen zu dem Unternehmen bestehendes Arbeitsverhältnis, steht dem jedenfalls nicht entgegen.

3. Offenlegung nach außen

Mit der Offenlegung der Meldungen nach außen, also unternehmensextern beschäftigt sich nur eine Regelung des Entwurfs, nämlich § 31. Dabei werden die Voraussetzungen festgelegt, unter denen eine hinweisende Person Informationen über Verstöße öffentlich zugänglich machen darf. Personen, die Informationen über Verstöße offenlegen, fallen hiernach nur dann unter die Schutzmaßnahmen des Gesetzes, wenn

  • sie zunächst eine externe Meldung erstattet haben und hierauf innerhalb der Fristen für eine Rückmeldung eine Rückmeldung über das Ergreifen geeigneter Maßnahmen erhalten haben oder
  • hinreichenden Grund zu der Annahme haben, dass der Verstoß eine unmittelbare oder offenkundige Gefährdung des öffentlichen Interesses darstellen kann, im Fall einer externen Meldung Repressalien zu befürchten sind oder aufgrund der besonderen Umstände des Falles die Aussichten gering sind, dass die externe Meldestelle wirksam Folgemaßnahmen nach § 28 des Entwurfs einleiten wird.

Nur wenn diese Voraussetzungen gegeben sind, darf der Meldende die Meldung nach außen machen. Auf welchem Wege die Öffentlichkeit informiert wird, findet im Entwurf keine Erwähnung. Denkbar ist die Offenlegung von Informationen insbesondere in sozialen Medien.

5. Sanktionen und Schlussvorschriften

Der fünfte und letzte Abschnitt enthält schließlich vor allem Bußgeldtatbestände für die Fälle, in denen gegen die gesetzlichen Regelungen des Entwurfs verstoßen wird.

6. Schutzmaßnahmen für Hinweisgeber

Die Richtlinie und der Entwurfs der Regierung beinhalten, dass gegenüber Hinweisgebern keine Repressalien verhängt werden dürfen. Auch hier ist offen, was das bedeuten soll. Klar ist, dass der hinweisgebenden Person ein ungerechtfertigter Nachteil durch Handlungen oder Unterlassungen im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit nicht entstehen darf. Verstößt der Arbeitgeber gegen das Verbot, Repressalien zu verhängen, muss er gemäß § 36 Abs. 1 des Entwurfs Schadenersatz leisten. Ein Schmerzensgeld wird dem Hinweisgeber allerdings nicht zugebilligt. Weitergehende Schutzmaßnahmen zugunsten des Hinweisgeber sieht das Gesetz ebenfalls nicht vor. Allerdings schützt der Entwurf den Arbeitnehmer bzw. den Hinweisenden vor Repressalien, die zwar auch in Form einer Kündigung erfolgen können. Das gilt umgekehrt auch für die von der Meldung betroffenen Personen und Dritte, also diejenigen, die in einer Meldung namentlich genannt sind. Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass auch dieser Personenkreis Schutz verdient und zwar insbesondere dann, wenn sich Hinweise als nicht richtig oder als nicht vollständig richtig erweisen sollten. Dieser Personen lässt der Entwurf vollständig ungeschützt.

7. Fazit

Der Entwurf enthält zahlreiche Lücken insbesondere zum Schutz des Whistleblowers und des von einer Meldung Betroffenen. Vor allem eine Verzahnung mit allgemeinen Compliance Regelungen wäre hier sinnvoll und angezeigt gewesen. Abzuwarten bleibt, ob die neue Bundesregierung den Entwurf übernimmt oder es noch zu Veränderungen und Anpassungen kommt.

Arbeitgeber sollten bereits jetzt überprüfen, welcher Handlungsbedarf besteht und damit die Umsetzung der Richtlinie und des Hinweisgeber Schutzgesetzes vorbereiten.

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