In der Pandemie stellen sich zahlreiche, rechtliche Fragen, die leidenschaftlich an Stammtischen ohne Rechtskenntnisse diskutiert werden. Der Beitrag versucht einige, wichtige arbeitsrechtliche Fragestellungen zu beleuchten.
- Die gegenseitigen Interessenlagen
Arbeitgeber haben ein gesteigertes Interesse daran, ihre Betriebsabläufe aufrechtzuerhalten, weil nur dadurch Einnahmen erzielt und unter anderem Arbeitnehmer beschäftigt und bezahlt werden können. Sind Arbeitnehmer aufgrund des Infektionsgeschehens nicht in der Lage Arbeitsleistungen zu erbringen, droht eine Betriebsschließung, bis hin zur Unterbrechung ganzer Versorgungsketten. In diesem Zusammenhang stellen sich ganz unterschiedliche Fragen, etwa ob Arbeitnehmer von sich aus ungefragt offenbaren müssen, ob sie mit dem Corona Virus infiziert sind, ob der Arbeitgeber konkret danach fragen darf, ob Mitarbeiter geimpft, genesen oder getestet sind und anderes mehr.
- Wechselseitige Grundpflichten aus dem Arbeitsverhältnis
Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind wechselseitig verpflichtet, alles dafür zu tun, um die Gesundheit des jeweiligen anderen zu schützen. Auf Arbeitgeberseite spricht man von der Fürsorgeverpflichtung dem Arbeitnehmer gegenüber, auf Arbeitnehmerseite von der Rücksichtnahmepflicht gegenüber Arbeitgeber und Arbeitskollegen. Gesetzlich dokumentiert ist dies unter anderem in § 618 BGB sowie im Arbeitsschutzgesetz.
§§ 3, 4 ArbSchG verpflichten den Arbeitgeber alle erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu treffen, um die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit zu gewährleisten. Die Arbeit ist so zu gestalten, dass eine Gefährdung für das Leben sowie die Gesundheit möglichst vermieden und die verbleibende Gefährdung möglichst gering gehalten wird. Beschäftigte sind verpflichtet, nach ihren Möglichkeiten sowie gemäß der Unterweisung und Weisung des Arbeitgebers für ihre Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit Sorge zu tragen. Insbesondere haben beschäftigt auch für die Sicherheit und Gesundheit der Personen zu sorgen, die von ihren Handlungen oder Unterlassungen bei der Arbeit betroffen sind, § 15 Abs. 1 ArbSchG. Beschäftigte haben dem Arbeitgeber gemäß § 16 ArbSchG jede von ihnen festgestellte unmittelbare erhebliche Gefahr für die Sicherheit und Gesundheit zu melden.
Nur bei Beachtung der durch das Arbeitsschutzgesetz aufgestellten Grundsätze ist es möglich, einen möglichst lückenlosen Gesundheitsschutz herzustellen.
a. Anzeigepflichten des Arbeitnehmers
Auch wenn der Arbeitgeber grundsätzlich keinen Anspruch auf Auskunft gegenüber dem Arbeitnehmer hat, an welcher Krankheit dieser leidet, dürfte im Hinblick auf die oben genannten Vorschriften bei der Pandemie und einer Corona-Erkrankung eine Ausnahme zu machen sein. Die Rücksichtnahmepflicht der Arbeitnehmer verlangt, dass diese dem Arbeitgeber die mögliche Gesundheitsgefahr anzeigen.
b. Auskunftsrechte
Damit der Arbeitgeber seine Verpflichtungen aus § 618 BGB i.V.m. §§ 3, 4 ArbSchG erfüllen kann, ist er auf Auskünfte durch den Arbeitnehmer angewiesen. Nur so wird gewährleistet, dass in die Rechte der Arbeitnehmer zum Schutze der Gesundheit nicht stärker als zwingend notwendig eingegriffen wird. Insbesondere kann der Arbeitgeber Auskünfte darüber verlangen, ob der Arbeitnehmer mit erkrankten oder infizierten Personen Kontakt hatte und ob er sich in einem Gebiet aufgehalten hat, für das Reisewarnungen des Robert Koch Institutes bzw. des Auswärtigen Amtes bestehen. Datenschutzrechtlich dürfen diese Gesundheitsdaten erhoben und verarbeitet werden (Art. 6 Abs. 1c, 9 Abs. 1b Datenschutz Grundverordnung i.V.m. §§ 26 Abs. 3, 22 Abs. 1 Nr. 1b BDSG)
In gleicher Weise und erst recht dürfte der Arbeitgeber berechtigt sein, den Impfstatus seiner Mitarbeiter zu erfragen, also ob diese geimpft, genesen oder getestet sind. Die rechtlichen Grundlagen ergeben sich aus den oben genannten Vorschriften. So ist der Arbeitgeber möglicherweise gehalten, für Mitarbeiter, die nicht geimpft sind, andere Maßnahmen zu ergreifen, als für Mitarbeiter, die geimpft sind. Zu denken ist an die Verpflichtung zum Tragen von Schutzmasken, besondere Zutrittsbeschränkungen zu einzelnen Räumen, wie z.B. Kantinen und anderes mehr. Auch kann es notwendig sein, dass Mitarbeiter zusammenarbeiten und einen Mindestabstand nicht einhalten können. Für geimpfte Personen mögen hier andere Regeln gelten, als für ungeimpfte. Um hier einen entsprechenden Schutz zu erreichen, insbesondere auch in Betrieben, in denen es Publikumsverkehr gibt und Kunden vor Ungeimpften und damit potentiell infektiösen Mitarbeitern geschützt werden müssen, ist die Kenntnis über den Impfstatus für den Arbeitgeber erforderlich. Nicht vergessen werden darf in diesem Zusammenhang, dass der Mitarbeiter keine gesundheitsrelevanten Daten preisgibt, wenn er über seinen Impfstatus berichtet. Selbst wenn es sich aber um Gesundheitsdaten handeln würde wäre der Arbeitnehmer wohl im Hinblick auf die ihm obliegenden Pflichten gemäß §§ 15, 16 ArbSchG zur Auskunft verpflichtet.
c. Gesundheitskontrollen
Fraglich ist, ob der Arbeitgeber berechtigt ist, bei Mitarbeitern darüber hinausgehend Gesundheitskontrollen durchzuführen, d. h. verlangen kann, dass die Mitarbeiter beim Betreten des Betriebes Fieber messen oder anderes mehr. Derartige Maßnahmen können wohl nur angeordnet werden, wenn es hierfür einen konkreten Anlass gibt, d. h. der Mitarbeiter Krankheitsanzeichen hat. Der Mitarbeiter wird aber auch hier gemäß §§ 15, 16 ArbSchG verpflichtet sein, von sich aus den Arbeitgeber zu informieren.
4. Folgen von Verstößen gegen die Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis
a. Abmahnung/Kündigung
Verstößt ein Arbeitnehmer gegen die ihm obliegenden Pflichten, den Arbeitgeber über etwaige Krankheitsrisiken aufzuklären, die infolge der Corona-Erkrankung bestehen und die gesundheitliche Auswirkungen auf Arbeitskolleginnen und Kollegen haben können, hat der Arbeitgeber die Möglichkeit, das Verhalten abzumahnen oder eine Kündigung auszusprechen.
b. (Nicht immer) Entgeltfortzahlungsanspruch bei Erkrankung des Mitarbeiters
Erkrankt ein Mitarbeiter am Corona-Virus, hat er grundsätzlich einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, wie bei jeder anderen Krankheit auch. § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz bestimmt, dass der Arbeitgeber zur Entgeltfortzahlung nicht verpflichtet ist, wenn der Arbeitnehmer die Erkrankung verschuldet hat, was insbesondere dann der Fall sein kann, wenn er in leichtsinniger Weise die Erkrankung herbeigeführt hat. Das kann dadurch geschehen, dass der Mitarbeiter in ein vom Robert-Koch-Institut ausgewiesenes Gefahrengebiet gereist ist, sich eine Infektion leichtfertig zugezogen hat, indem er wissentlich mit infizierten Personen Kontakt hatte oder indem er gegen betrieblich angeordnete Sicherheitsmaßnahmen in erheblicher Weise verstoßen hat.
4. Zusammenfassung
Wenn sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer darauf besinnen, dass ein gemeinsames Interesse daran bestehen sollte, die wechselseitigen Rechte des jeweils anderen zu achten, d. h. der Arbeitgeber Auskünfte nur insoweit verlangt, wie dies notwendig ist, Mitarbeiter andererseits sich auch der Einsicht beugen, dass sie zur Rücksichtnahme gegenüber Arbeitgeber und Arbeitskollegen verpflichtet sind, sollte ein unkompliziertes Miteinander möglich sein. Argumente, dass den Arbeitgeber das Privatleben des Mitarbeiters nichts anginge und daher Auskünfte, gleich welcher Art nicht erteilt werden müssten, sind in dieser Allgemeinheit mit Sicherheit falsch und werden den gesetzgeberischen Wertungen, wie oben dargestellt, nicht gerecht. Weitgehend anerkannt ist, dass man seinen Impfstatus beim Betreten von öffentlichen Einrichtungen, Flugzeugen und Ähnlichem preisgeben muss, weil man ansonsten von der Teilhabe ausgeschlossen wird. Auch hier werden die Schutzbedürfnisse Dritter letztlich über das Individualinteresse des Einzelnen gestellt. Diese Interessenabwägung ist richtig und gilt aufgrund gesetzgeberischer Anordnungen auch im Arbeitsverhältnis.

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