Ausbildungsverhältnisse – kurz vor dem Ende der Probezeit – und jetzt?

Veröffentlicht am 04.05.2021 von Dr. Ulrich Hörl, Rechtsanwalt - Kanzlei Dreher + Partner

Herr Dr. Hörl, warum ist der 31. Januar für die meisten Ausbilder und Auszubildenden ein besonderer Tag?

Das Berufsausbildungsverhältnis beginnt immer mit einer Probezeit. Sie muss mindestens einen Monat und darf höchstens vier Monate betragen. In den meisten Ausbildungsverhältnissen wird eine Probezeit von vier Monaten vereinbart, die am 31. Januar abläuft. Dieser Termin ist nicht veränderbar. Die Probezeit darf nie über vier Monate hinaus verlängert werden. Erkrankungen oder Urlaub während der Probezeit, Feiertage o. ä. ändern daran nichts. Zu Ungunsten des Auszubildenden darf nicht von den gesetzlichen Bestimmungen abgewichen werden. Wird gleichwohl die Probezeit verlängert, ist das unwirksam. Alle anderen vertraglichen Konstruktionen, die zum gleichen Ergebnis führen, sind ebenfalls unwirksam. Beginnt beispielsweise das Ausbildungsverhältnis mit einem Schulunterricht (Blockunterricht), ist es unzulässig, die Probezeit erst beginnen zu lassen, wenn die Schulzeit beendet ist. Auch eine Verkürzung der Probezeit unter einem Monat ist unzulässig. Eine Beschäftigung als Praktikant unmittelbar vor Beginn der Ausbildungszeit gilt nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichtes nicht als Ausbildungszeit, wird daher auf die Probezeit nicht angerechnet. Dasselbe gilt für ein vorgeschaltetes Arbeitsverhältnis, das in einem Ausbildungsverhältnis enden soll. Die Probezeit ist einzuhalten. Variieren darf sie lediglich zwischen einem Monat und vier Monaten.

Angenommen, man erkennt bereits in der Probezeit, dass man nicht zueinander passt. Kann das Ausbildungsverhältnis dann einfach gekündigt werden?

Ja, hier gibt es überhaupt keine Schwierigkeiten. Während der vereinbarten Probezeit kann das Ausbildungsverhältnis jederzeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, also fristlos, d. h. „von heute auf morgen“. Kündigungsgründe müssen gerade nicht genannt werden. Überspitzt gesagt kann das Ausbildungsverhältnis also gekündigt werden, wenn einem die Nase seines Vertragspartners nicht gefällt. Das hat dann auch zur Konsequenz, dass ein Auszubildender, der sich tadellos geführt und verhalten hat keinen Anspruch auf Fortsetzung des Ausbildungsverhältnisses über die Probezeit hinaus hat. Zu beachten ist allerdings, dass die Kündigung schriftlich zu erfolgen hat. Das gilt für alle Kündigungen ganz generell. Schriftform bedeutet hier eine Originalunterschrift. Kündigungen per E-Mail, WhatsApp o. ä. sind unwirksam. Unwirksam ist im Übrigen auch eine Vereinbarung, dass das Ausbildungsverhältnis automatisch nach Ablauf der Probezeit endet und „aktiv“ fortgesetzt werden muss. Das Gesetz geht eben vom Fortbestand des Ausbildungsverhältnisses aus und einer Kündigungsmöglichkeit.

Was geschieht nach Ablauf der Probezeit?

Das Berufsausbildungsverhältnis endet mit dem Ablauf der Ausbildungszeit. Üblicherweise dauert eine Ausbildung drei Jahre, sodass die Vertragsparteien bis zu diesem Zeitpunkt aneinandergebunden sind. Die Probezeit ermöglicht den Vertragsparteien die Prüfung, ob der Auszubildende für den betreffenden Beruf geeignet ist. Dies gilt sowohl in persönlicher als auch fachlicher Hinsicht.

Kann das Ausbildungsverhältnis nach Ablauf der Probezeit nicht, wie ein Arbeitsverhältnis, einfach gekündigt werden?

Nein, hier hat das Berufsbildungsgesetz eine Sonderregelung geschaffen. Neben der Beendigung des Ausbildungsverhältnisses durch Bestehen der Abschlussprüfung kann dieses nach Ablauf der Probezeit von beiden Seiten nur noch fristlos aus wichtigem Grund gekündigt werden, von Auszubildenden darüber hinaus mit einer Kündigungsfrist von vier Wochen, wenn sie die Berufsausbildung aufgeben oder sich für eine andere Berufstätigkeit ausbilden lassen wollen. Gerade für Ausbilder gilt daher, dass man sich sicher sein sollte, dass man mit dem Auszubildenden bis zum Ende der Ausbildungszeit zusammenarbeiten möchte. Für den Auszubildenden stellt sich natürlich die gleiche Frage, allerdings mit dem Unterschied, dass dieser immer kündigen kann, wenn er die Berufsausbildung aufgeben möchte.

Stellt die Rechtsprechung hohe Anforderungen an eine fristlose Kündigung und wann ist sie gerechtfertigt?

Die Anforderungen, die an eine fristlose Kündigung gestellt werden, sind sehr hoch. Ein wichtiger Grund setzt voraus, dass das Ausbildungsziel erheblich gefährdet und die Fortsetzung des Ausbildungsverhältnisses unzumutbar ist. Dabei sind gegebenenfalls das jugendliche Alter des Auszubildenden und der Ausbildungszweck zu berücksichtigen. Pflichtverstöße des Auszubildenden sind daher nur unter erschwerten Bedingungen als unzumutbar für den Ausbildenden zu bewerten. Eine fristlose Kündigung kurz vor Abschluss der Ausbildung, insbesondere ab dem dritten Lehrjahr, ist kaum noch möglich. In jedem Fall ist die Kündigung nur als letztes Mittel nach Ausschöpfung aller möglichen pädagogischen Mittel, nach vorherigen Abmahnungen, Gesprächen und ähnlichem möglich. Die Anforderungen an eine fristlose Kündigung eines Auszubildenden liegen noch höher als bei einer fristlosen Kündigung in einem Arbeitsverhältnis. Die Rechtsprechung anerkennt eine fristlose Kündigung des Ausbildenden, wenn der Auszubildende eine Folge von Pflichtwidrigkeiten in dem Sinne begangen hat, dass der Zweck der Ausbildung, das Erreichen des Ausbildungszieles, ernsthaft infrage gestellt wird. Das kommt z.B. in Betracht bei häufigem Zuspätkommen, unentschuldigtem Fehlen, wiederholten Erschleichen oder Übertreten des Urlaubes, wiederholt verspätetes Abliefern der Berichtshefte trotz Abmahnung, mehrfaches, unentschuldigtes Versäumen des Berufsschulunterricht, Weigerung, die Berufsschularbeiten zu erledigen, Straftaten gegen den Ausbilder oder Kollegen.

Muss eine fristlose Kündigung begründet werden?

Ja, hier ist eine Besonderheit im Ausbildungsverhältnis zu beachten. Eine fristlose Kündigung nach Ablauf der Probezeit ist nur wirksam, wenn die Kündigungsgründe im Kündigungsschreiben
genannt sind. Nur auf diese kann sich der Kündigende stützen. In einem Arbeitsverhältnis müssen Kündigungsgründe nicht im Kündigungsschreiben genannt werden. Insoweit gibt es hier einen wesentlichen Unterschied, der zu beachten ist. Im Übrigen muss die Kündigung innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis der Umstände, die zur Kündigung berechtigen, zugestellt werden.

Wem muss die Kündigung zugestellt werden, wenn der Auszubildende noch minderjährig ist?

Soll das Ausbildungsverhältnis mit einem Minderjährigen gekündigt werden, der noch nicht 18 Jahre alt ist, muss die schriftlich begründete Kündigung den gesetzlichen Vertretern, also im Zweifel beiden Eltern, zugestellt werden. Leben die Eltern an unterschiedlichen Orten, muss die Kündigung beiden Elternteilen zugestellt werden. Umgekehrt gilt im Übrigen auch, dass ein Minderjähriger das Ausbildungsverhältnis selbst nicht kündigen kann. Das müssen ebenfalls die gesetzlichen Vertreter (beide) tun.

Gibt es einen Zeitpunkt, bis wann die Kündigung zugegangen sein muss?

Geht man von der Kündigung in der Probezeit aus, muss die Kündigung am letzten Tag der Probezeit, also üblicherweise am 31. Januar, dem Empfänger zugegangen sein. Dabei reicht entweder der Einwurf in den Hausbriefkasten, der spätestens zu den üblichen Postzustellzeiten erfolgt sein muss, oder die persönliche Übergabe an den Empfänger. Derjenige, der kündigt, muss den rechtzeitigen Zugang beweisen.

 

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