Corona - Impfpflicht am Arbeitsplatz?

Veröffentlicht am 09.09.2021 von Dr. Hörl - Kanzlei Dreher + Partner

Die Diskussionen um Corona und eine etwa damit im Zusammenhang stehende Impfung nehmen breiten Raum in der Öffentlichkeit ein. Vehement streiten Impfgegner und Impfbefürworter und versuchen, dem anderen die Argumente näherzubringen. Was am Stammtisch ohne Auswirkungen bleibt, kann sich im Arbeitsverhältnis möglicherweise gravierend auswirken. Kann der Arbeitgeber von seinen Mitarbeitern verlangen, dass diese sich impfen lassen? Darf der Arbeitgeber überhaupt Mitarbeiter nach dem Impfstatus fragen und was geschieht, wenn der Arbeitnehmer Auskünfte verweigert oder Fragen des Arbeitgebers falsch beantwortet? Vielfach fehlen hierzu noch Gerichtsentscheidungen. Wir stellen die Rechtslage dar.
 

  1. Keine gesetzliche Impfpflicht

Gesetzliche Grundlage ist die Verordnung zum Anspruch auf Schutzimpfung gegen das Corona Virus SARS-CoV-2 (Coronavirus-Impfverordnung). Es geht in der Verordnung um einen Anspruch auf Erhalt des Impfstoffs, unterteilt nach bestimmten Risikogruppen (ältere Menschen, Mitarbeiter in Krankenhäusern, Rettungsdiensten, Polizei und anderem). Da jede Impfung einen wesentlichen Eingriff in das Recht auf körperliche Unversehrtheit darstellt, kann dies nur durch ein Gesetz angeordnet werden. Eine Verordnung ist keine ausreichende Rechtsgrundlage. Eine gesetzliche Regelung wäre möglich und wurde beispielsweise auch über das Maserschutzgesetz, das eine Impfpflicht für schulpflichtige Kinder sowie in Betreuungseinrichtungen tätigen Personen anordnet, umgesetzt. Das Bundesverfassungsgericht hat dieses Gesetz für verfassungskonform erachtet (Bundesverfassungsgericht Beschluss vom 11.05.2020 – 1 BvR 469/20). In dem Leitsatz heißt es, dass die Impfung nicht nur das Individuum gegen die Erkrankung schützen soll, sondern gleichzeitig die Weiterverbreitung der Krankheit in der Bevölkerung verhindern soll, wenn mithilfe der Impfung erreicht wird, dass die Impfquote in der Bevölkerung hoch genug ist. Im Leitsatz zwei heißt es, dass in einer Interessenabwägung die Interessen der Impflinge an körperlicher Unversehrtheit mit dem Interesse einer Vielzahl von Personen, die von sich infektionsbedingte Risiken für Leib oder Leben abwehren wollen, abgewogen werden müssen. Das Bundesverfassungsgericht ist hier zu dem Schluss gekommen, dass das Gemeinwohl das Individualinteresse überwiegt. Im Moment gibt es bezogen auf das Corona Virus eine solche gesetzliche Anordnung noch nicht, sodass Arbeitgeber von Ihren Mitarbeitern nicht verlangen können, dass diese sich impfen lassen.

  1. Impfpflicht durch Direktionsrecht?

Der Arbeitgeber hat gemäß § 4 Nr. 1 ArbSchG die Arbeit so zu gestalten, dass eine Gefährdung für das Leben sowie die Gesundheit möglichst vermieden und die verbleibende Gefährdung möglichst gering gehalten wird. § 5 ArbSchG verpflichtet den Arbeitgeber eine Beurteilung der für die Beschäftigten mit Ihrer Arbeit verbundenen Gefährdungen zu ermitteln und die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu ergreifen. Auch gemäß § 618 BGB i.V.m. § 3 ArbSchG ist der Arbeitgeber verpflichtet, Räume, Vorrichtungen oder Gerätschaften so einzurichten und zu unterhalten, dass die Arbeitnehmer ohne vermeidbare Gesundheitsbeeinträchtigungen arbeiten können. Der Arbeitgeber muss alle erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes treffen, um die Gesundheit der Beschäftigten zu sichern.

§ 15 ArbSchG bestimmt, dass die Beschäftigten verpflichtet sind, sich nach ihren Möglichkeiten sowie gemäß der Unterweisung und Weisung des Arbeitgebers für ihre Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit Sorge zu tragen und auch für die Sicherheit und Gesundheit der Personen zu sorgen, die von ihren Handlungen oder Unterlassungen bei der Arbeit betroffen sind. § 16 Abs. 1 ArbSchG verpflichtet die Beschäftigten, dem Arbeitgeber jede von ihnen festgestellte unmittelbare erhebliche Gefahr für die Sicherheit und Gesundheit unverzüglich mitzuteilen.

Der Arbeitgeber könnte sich allenfalls auf eine Weisung gemäß § 106 GewO i.V.m. § 15 ArbSchG, § 241, 242 BGB berufen. Auch hier geht es um eine Interessenabwägung. Auf Seiten des Arbeitgebers steht das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb und der Erkenntnis, dass mit einer durchgeimpften Belegschaft finanzielle Belastungen des Betriebes, die durch eine Coronaerkrankung entstehen können, mit Sicherheit reduziert werden können. Es geht um Entgeltfortzahlungskosten, Produktionsausfälle, Lohnfortzahlungskosten, wenn sich Mitarbeiter während der Arbeitszeit auf das Corona-Virus testen lassen und anderes mehr. Auch die Verpflichtung zum Schutz der Mitarbeiter, die für den Arbeitgeber aus § 618 BGB i.V.m. § 3 ArbSchG folgt, könnte die Anordnung einer Impfpflicht nach sich ziehen.

Demgegenüber steht der Eingriff in die körperliche Unversehrtheit der Mitarbeiter und deren Selbstbestimmungsrecht.

Man mag es für eine gewisse Rücksichtslosigkeit halten, wenn diejenigen, die sich nicht impfen lassen auf diese Weise zu einer Weiterverbreitung der Krankheit unzweifelhaft beitragen und es auch als selbstverständlich hinnehmen, dass andere, in diesem Fall Arbeitgeber und das Gesundheitswesen die dafür entstehenden Kosten zu tragen haben, gleichwohl dürfte in einer Interessenabwägung das Selbstbestimmungsrecht der Arbeitnehmer das Interesse der Arbeitgeber an eine Impfpflicht überwiegen.

Etwas anderes könnte ausnahmsweise dann gelten, wenn besondere Schutzpflichten für anvertraute Personen bestehen, wie das in Seniorenheimen oder Krankenhäusern der Fall ist. Besondere Schutzpflichten können sich insbesondere dadurch für die Arbeitnehmer ergeben, wenn diese mit erkrankten Personen von Berufs wegen zu tun haben und dadurch eine gesteigerte Gefährdung des Betriebes besteht, falls die Arbeitnehmer ohne Impfung krankheitsbedingt ausfallen und/oder aufgrund der erhöhten Infektionsgefahr auch Arbeitskollegen und sonstige Dritte anstecken können.

  1. Kündigung ungeimpfter Arbeitnehmer?

Vor Arbeitgeber stellt sich die Frage, ob ungeimpfte Arbeitnehmer unter bestimmten Umständen gekündigt werden können.

a. Verhaltensbedingte Kündigung

Eine verhaltensbedingte Kündigung kommt nur dann in Betracht, wenn der Arbeitgeber berechtigterweise eine Impfung anordnen darf, was aus den oben genannten Gründen nur in Ausnahmefällen anzunehmen ist. Bei Führungskräften, die in besonderem Maße die Interessen des Arbeitgebers zu vertreten haben, könnte eine verhaltensbedingte Kündigung in Betracht kommen, wenn diese einer Impfempfehlung des Arbeitgebers zuwider gegen eine solche aussprechen. Eine Weisung, Impfungen zu befürworten, um die Interessen des Betriebes zu schützen dürfte gemäß § 106 GewO nicht zu beanstanden sein.
​​​​​
b. Personenbedingte Kündigung

Eine personenbedingte Kündigung kommt in Betracht, wenn der Mitarbeiter nicht mehr die für die Ausübung der Tätigkeit notwendige Eignung besitzt. Wenn Ärzte und Pflegepersonen, die nicht geimpft sind eine Gefahr für Patienten und Pflegebedürftige darstellen, führt das dazu, dass der Arbeitgeber diese Personen nicht mehr uneingeschränkt arbeiten lassen kann. Dies kann zu einem Wegfall der Eignung und einer daraus resultierenden Kündigung führen.

c. Betriebsbedingte Kündigung

Der Arbeitgeber könnte die unternehmerische Entscheidung treffen, ab einem bestimmten Zeitpunkt nur noch mit geimpften Personen zu arbeiten, etwa in Krankenhäusern. Eine solche, unternehmerische Entscheidung müsste allerdings dann auch konsequent umgesetzt werden. Sie wäre vom Grundsatz her nur von den Gerichten daraufhin zu überprüfen, ob sie rechtsmissbräuchlich ist. Eine Kündigung würde sich dann aber dennoch als unwirksam erweisen, wenn es wirksame andere Mittel gibt, um die Kündigung zu vermeiden, wie beispielsweise gesteigerte Hygienemaßnahmen.

Fazit

In den meisten Fällen wird der Arbeitgeber von seinen Mitarbeitern nicht verlangen können, dass diese sich impfen lassen. Arbeitsrechtliche Maßnahmen sind nur eingeschränkt möglich. Im Hinblick auf die Schutzpflichten, die der Arbeitgeber nach dem BGB sowie dem Arbeitsschutzgesetz zu erfüllen hat, aber auch unter Berücksichtigung der im Arbeitsschutzgesetz geregelten Rücksichtnahmepflichten der Arbeitnehmer, sind diese wohl zumindest auskunftspflichtig hinsichtlich ihres Impfstatus. Nur wenn dieser bekannt ist, können notwendige Schutzmaßnahmen ergriffen werden.

Sie haben Fragen?
Kontaktieren Sie uns gerne.

Kanzlei Dreher + Partner
Parkstraße 40
88212 Ravensburg

Tel 0751 7687 9140

www.dreher-partner.de