Elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung - fällt der „gelbe Schein“ vollständig weg?

Veröffentlicht am 27.02.2023 von Dr. Jan Schöll - Kanzlei Dreher + Partner

Zum 01.01.2023 trat ein neues Gesetz in Kraft, das eine elektronische Meldung der Arbeitsunfähigkeit vorsieht. Entgegen einem allgemeinen Verständnis, dass der „gelbe Schein“ in Papierform damit vollständig abgeschafft wurde, gilt die Neuregelung nur für einen Teil aller Arbeitnehmer. Für wen gilt das neue Gesetz und welche Rechte und Pflichten ergeben sich hieraus?

Für wen gilt die Pflicht zur elektronischen Meldung der Arbeitsunfähigkeit?

Das neue Gesetz gilt zunächst nur für alle

     Ÿ   gesetzlich versicherten Arbeitnehmer

     Ÿ   soweit die Krankmeldung über einen „Kassenarzt“ erfolgte.

Es gilt ausdrücklich nicht für

     Ÿ   privat versicherte Arbeitnehmer

     Ÿ   geringfügig Beschäftigte in Privathaushalten.

     Ÿ   gesetzlich versicherte Arbeitnehmer, die sich bei einem Privatarzt krankschreiben lassen.

 

Was genau ändert sich für gesetzlich Versicherte, die sich krankschreiben lassen?

Ist ein gesetzlich versicherter Arbeitnehmer krank und stellt der Kassenarzt eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit fest, übermittelt der Kassenarzt nach der Neuregelung die Daten der Arbeitsunfähigkeit elektronisch an die Krankenkasse. Aus diesen Daten wird dann eine Arbeitsunfähigkeitsmeldung erstellt.

Der Arbeitgeber muss in der Folge die Meldung zur Arbeitsunfähigkeit bei der Krankenkasse abrufen. Der Arbeitgeber erhält dann die sich aus dem früheren „gelben Schein“ ergebenden Daten, also

     Ÿ   Name des betroffenen Arbeitnehmers

     Ÿ   Beginn der Arbeitsunfähigkeit sowie das voraussichtliche Ende

     Ÿ   Datum der Ausstellung

     Ÿ   Mitteilung, ob es sich um eine Erst- oder Folgebescheinigung handelt.

Für die gesetzliche Versicherten heißt dies, dass sie dem Arbeitgeber den „gelben Schein“ nicht mehr in Papierform vorlegen müssen. Mit der Neuregelung ändert sich also die Vorlagepflicht nach § 5 Abs. 1 a Entgeltfortzahlungsgesetz.

 

Müssen sich gesetzlich Versicherte durch die Änderung bei ihren Arbeitgebern gar nicht mehr krankmelden?

Doch, die Pflicht zur Krankmeldung bleibt. Denn schon bisher hat das geltende Gesetz zwischen der Pflicht zur Mitteilung der Erkrankung und der Pflicht zur Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung („gelber Schein“) unterschieden. Die Neuregelung betrifft nur den „gelben Schein“ in Papierform, nicht aber die daneben bestehenden Mitteilungspflichten.

Alle Arbeitnehmer, so also auch die gesetzlich Versicherten bleiben weiter verpflichtet, den Arbeitgeber unverzüglich über eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit in Kenntnis zu setzen (z. B. telefonisch).

 

Gibt es künftig gar keinen „gelben Schein“ mehr?

Für die oben genannten Ausnahmen der Neuregelung gibt es auch künftig noch den „gelben Schein“ in Papierform, also für die privat Versicherten, die geringfügig Beschäftigten in Privathaushalten und die gesetzlich Versicherten, sofern sie sich bei einem Privatarzt krankschreiben lassen. Für all diese Arbeitnehmer müssen die Ärzte auch weiterhin den „gelben Schein“ in Papierform ausstellen.

Offensichtlich geht der Gesetzgeber davon aus, dass mit der Einführung des elektronischen Meldeverfahrens Störfälle auftreten können oder werden und das System zu Beginn nicht einwandfrei funktioniert. Deshalb soll es vorerst dabei bleiben, dass auch die Vertragsärzte den gesetzlich versicherten Arbeitnehmern weiterhin eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in Papier ausstellen, die sie dem Arbeitgeber vorlegen können. Gesetzlich Versicherte sollten deshalb von den Vertragsärzten verlangen, dass ihnen auch weiterhin eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in Papier ausgestellt wird. Der Ausdruck der Daten, die der Arzt an die Krankenkasse schickt, eignet sich nicht für die Vorlage gegenüber dem Arbeitgeber - jedenfalls aus Arbeitnehmersicht, da diese Meldung u.a. auch die Krankheitsdiagnose enthält, die der Arbeitnehmer selten dem Arbeitgeber mitteilen möchte.

 

Sollten Arbeitgeber in ihren Arbeitsverträgen künftig etwas ändern?

Viele Arbeitsverträge enthalten die Verpflichtung, die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in Papierform spätestens am 4. Tag dem Arbeitgeber vorlegen zu müssen. Teilweise enthalten Arbeitsverträge auch die Verpflichtung, dieser Vorlagepflicht schon am 1. Tag nachzukommen. Durch die Änderung des Entgeltfortzahlungsgesetzes entfällt zumindest für die betroffene Gruppe der gesetzlich Versicherten diese Pflicht. Da Arbeitgeber aber nur anlassbezogen die Daten der Arbeitsunfähigkeit bei der Krankenkasse abrufen dürfen und damit in bestimmten Fällen gar nicht wissen, ob eine elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erstellt wurde, ist es sehr sinnvoll, den Arbeitsvertrag entsprechend anzupassen.

Für die von der Neuregelung betroffene Gruppe sollte in den Arbeitsverträgen geregelt werden, dass der Arbeitnehmer verpflichtet wird, den Arbeitgeber darüber zu informieren, sobald eine elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erstellt wurde. Damit hat der Arbeitgeber die Möglichkeit, die Daten konkret bei der Krankenkasse abzurufen.

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