Geringfügige Beschäftigung – Kostenfalle für den Arbeitgeber

Veröffentlicht am 27.01.2022 von Dr. Ulrich Hörl - Kanzlei Dreher + Partner

Darf der Arbeitgeber einen Mitarbeiter flexibel je nach Bedarf zur Arbeit einsetzen?

§ 12 TzBfG bestimmt:

„Arbeitgeber und Arbeitnehmer können vereinbaren, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen hat (Arbeit auf Abruf). Die Vereinbarung muss eine bestimmte Dauer der wöchentlichen und täglichen Arbeitszeit festlegen. Wenn die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit nicht festgelegt ist, gilt eine Arbeitszeit von 20 Stunden als vereinbart. Wenn die Dauer der täglichen Arbeitszeit nicht festgelegt ist, hat der Arbeitgeber die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers jeweils für mindestens drei aufeinanderfolgende Stunden in Anspruch zu nehmen."

Was passiert, wenn der Arbeitgeber den Mitarbeiter nicht entsprechend dieser Regelung beschäftigt?

Das Bundesarbeitsgericht hat in der oben genannten Entscheidung im Leitsatz ausgeführt:

„Ist in einem Teilzeitarbeitsverhältnis in Form der Arbeit auf Abruf eine bestimmte Dauer der wöchentlichen und täglichen Arbeitszeit nicht vereinbart, kommt der Arbeitgeber nicht in Annahmeverzug, wenn er den Arbeitnehmer mindestens in dem in § 12 Abs. 1 TzBfG bestimmten Umfang zur Arbeitsleistung heranzieht.

Haben die Arbeitsvertragsparteien eine bestimmte Dauer der wöchentlichen und täglichen Arbeitszeit nicht festgelegt, berührt das nicht die Wirksamkeit der vereinbarten Arbeit auf Abruf. Es gelten die zum Schutz des Arbeitnehmers gesetzlich fingierten Arbeitszeiten (§ 12 Abs. 1 TzBfG)."

In dem Arbeitsvertrag hieß es in § 2 auszugsweise:

„Entgelt und Arbeitszeit. Es ist eine Festbeschäftigung mit flexibler Arbeitszeit nach den betrieblichen Erfordernissen vereinbart. Der Bruttostundenlohn beträgt € 10,50 und ab Juli beträgt der Bruttostundenlohn € 11,50. …"

Der Kläger arbeitete zum Teil mit einer Arbeitszeit entsprechend eines Vollzeitarbeitsverhältnis, zum Teil aber auch erheblich weniger. Die Parteien stritten über die Höhe der dem Kläger geschuldeten Vergütung.

Das Bundesarbeitsgericht hat zunächst festgelegt, dass es sich bei dem Arbeitsvertrag um einen Formulararbeitsvertrag handelt, der gemäß § 305 BGB als allgemeine Geschäftsbedingung anzusehen ist. Die Parteien wollten den Arbeitsanfall flexibel entsprechend den betrieblichen Erfordernissen gestalten, was grundsätzlich zulässig ist.

Das Gericht führt aus, dass nach § 12 Abs. 1 S. 2 TzBfG die Vereinbarung einer Arbeit auf Abruf eine bestimmte Dauer der wöchentlichen und täglichen Arbeitszeit festlegen müsse. Das bedeute aber nicht, dass Arbeit auf Abruf nur unter dieser Voraussetzung zulässig sei. Die Nichtvereinbarung einer bestimmten Dauer der wöchentlichen und täglichen Arbeitszeit bedinge nicht die Unwirksamkeit der Abrede, sondern führe dazu, dass eine wöchentliche Arbeitszeit von 20 Stunden als vereinbart gilt und der Arbeitgeber nach § 12 Abs. 1 S. 4 TzBfG die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers jeweils für mindestens drei aufeinanderfolgende Stunden in Anspruch nehmen muss.

Das bedeutet, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer entsprechend dieser gesetzlichen Vorgaben beschäftigen und bezahlen muss. Bietet der Arbeitnehmer seine Arbeitskraft an und erklärt der Arbeitgeber, dass er diese nicht in Anspruch nehmen könne, weil nicht genügend Arbeit vorhanden sei, schuldet er gleichwohl die Vergütung unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges gemäß § 615 BGB i.V.m. §§ 293 ff. BGB.

Vorsicht bei geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen:

Gerade bei Arbeitsvertragsparteien, die ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis als Arbeit auf Abruf gestalten wollen, ist besondere Sorgfalt geboten, weil bei Fehlern eine Arbeitszeit von 20 Stunden/Woche als vereinbart gilt, also eine monatliche Arbeitszeit von 86,67 Stunden. Hierbei wird immer die 450,00 €-Grenze deutlich überschritten mit der Folge, dass ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis besteht.

Erhöhung des Mindestlohns

Aufgrund gesetzlicher Vorgaben ändert sich der Mindestlohn fortlaufend. Ab 01.10.2022 soll er voraussichtlich auf 12,00 € / Stunde angehoben werden. Arbeitgeber, die mit ihren Arbeitnehmern ein bestimmtes Stundendeputat vereinbart haben, müssen darauf achten, dass trotz Erhöhung des Mindestlohns die Grenzen eines sozialversicherungsfreien Beschäftigungsverhältnisses nicht überschritten werden. Gegebenenfalls sind Vertragsanpassungen vorzunehmen. Voraussichtlich wird die derzeitige 450,00 € - Grenze mit Erhöhung des Stundenlohns auf 12,00 € auf 520,00 € / Monat angehoben. Das Gesetzgebungsverfahren ist jedoch noch nicht abgeschlossen.

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