Häusliche Altenpflege unbezahlbar?!

Veröffentlicht am 02.07.2021 von Daniel Naleppa, Rechtsanwalt - Kanzlei Dreher + Partner

Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 24.06.2021 (Az. 5 AZR 505/20) entschieden, dass auch nach Deutschland entsandte ausländische Betreuungskräfte - oftmals kommen diese aus Polen, Bulgarien oder Rumänien - den Mindestlohn erhalten müssen und zwar sowohl für die Arbeitszeit als auch für etwaige Bereitschaftszeiten.

Dies bedeutet, dass die Pflegekräfte den Mindestlohn unter Umständen 24 Stunden ein Tag erhalten.

Viele Bürgerinnen und Bürger wollen oder müssen (noch) nicht in einem Pflegeheim betreut werden oder können es sich schlicht und ergreifend nicht leisten. Auch der demografische Wandel und der hinzukommende Mangel an Pflegekräften stellen viele, meist die nahen Angehörigen vor Probleme.

Die Lösung war bisher die Anstellung einer Pflegekraft aus dem Ausland.

In dem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall hatte eine bulgarische Altenpflegerin, die im Jahr 2015 auf Vermittlung einer deutschen Agentur nach Deutschland entsandt worden ist, eine über 90-jährige Frau zu betreuen. Der Arbeitsvertrag sah eine tägliche Arbeitszeit von 6 Stunden und eine wöchentliche Arbeitszeit von 30 Stunden vor. Die Klägerin sollte dafür den damaligen Mindestlohn von 8,50 € pro Stunde erhalten. Sie hatte sich darüber hinaus mit der Bedingung einverstanden erklärt, keine Überstunden leisten zu müssen, die dann aber eben auch nicht vergütet zu bekommen.

Die Klägerin machte im Herbst 2018 Vergütung nach dem Mindestlohngesetz für die Jahre 2015 und 2016 geltend und zwar für 24 Stunden pro Tag an 7 Tagen pro Woche. Sie klagte insgesamt knapp 100.000,00 € abzüglich der bereits bezahlten Vergütung ein.

Sie argumentierte damit, dass sie bei der Betreuung nicht nur 30 Wochenstunden zu leisten hatte, sondern, dass sie rund um die Uhr arbeiten müsste, jedenfalls ständig in Bereitschaft war. Sie gab an die zu betreuende Frau auch nachts jederzeit im Bedarfsfall pflegen zu müssen.

Das Bundesarbeitsgericht, welches den Fall zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen hat, stellte nun fest, dass das Mindestlohngesetz anwendbar ist und zwar unabhängig von dem auf dem vertrag anwendbaren Recht (im vorliegenden Fall war bulgarisches Recht möglicherweise anwendbar).

Weiter teilte das Bundesarbeitsgericht mit, dass der Mindestlohn nicht nur für Vollarbeit, sondern eben auch für Zeiten des Bereitschaftsdienstes zu zahlen ist. Bereitschaftsdienst kann auch darin bestehen, dass die Pflegeperson im Haushalt der zu pflegenden Person wohnt und grundsätzlich verpflichtet ist, zu allen Tag- und Nachtstunden bei Bedarf Arbeit zu leisten.

Aktuell beträgt der Mindestlohn 9,50 € pro Stunde. Sollte der gesamte über die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinausgehende Zeitanteil als Bereitschaftszeit ebenfalls nach dem Mindestlohn zu vergüten sein, müsste eine 24-Stunden-Betreuungskraft 6.840,00 € brutto im Monat erhalten.

Dies dürfte das Ende der häuslichen Pflege sein, auch wenn die wirtschaftliche Abhängigkeit der Pflegekräfte sowie Informationsdefizite viele sicherlich davon abhalten werden, ihre Rechte geltend zu machen.

 

Sie haben Fragen?
Kontaktieren Sie uns gerne.

Kanzlei Dreher + Partner
Parkstraße 40
88212 Ravensburg

Tel 0751 7687 9140

www.dreher-partner.de