Krank aber kein Geld vom Arbeitgeber?

Veröffentlicht am 08.10.2021 von Dr. Jan Schöll - Kanzlei Dreher + Partner

Im Arbeitsrecht gilt der Grundsatz „ohne Arbeit kein Lohn“. Nur wer arbeitet soll seine Vergütung erhalten. Davon macht der Gesetzgeber selbst aber zahlreiche Ausnahmen. Eine der wichtigsten Ausnahmen betrifft den Fall der Krankheit.

Allerdings führt nicht jede Krankheit zu einem Anspruch auf Vergütung nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz. Nicht ohne Grund spricht das Gesetz von einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit. Damit ein Arbeitnehmer während einer Krankheit trotzdem seine Vergütung erhält, ist es erforderlich, dass der Beschäftigte aufgrund der Krankheit nicht arbeiten kann, also arbeitsunfähig ist. Wer Knieprobleme hat, ist als Logistikmitarbeiter im Lager sicherlich arbeitsunfähig krank. Ein Bankmitarbeiter, der den ganzen Tag sitzt, wäre bei derselben Erkrankung nicht arbeitsunfähig. Der Logistikmitarbeiter würde einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung erhalten, der Bankmitarbeiter nicht.

Nur der arbeitsunfähig kranke Arbeitnehmer hat Anspruch auf Entgeltfortzahlung

Ein arbeitsunfähig kranker Arbeitnehmer ist verpflichtet, seine Krankheit nachzuweisen. Den Nachweis führt der Arbeitnehmer bekanntlicher Weise über die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, also den berühmten „gelben Schein“. Diese Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung stellt aber nur ein Beweismittel des Arbeitnehmers dar, um seine Krankheit nachzuweisen. Die Bescheinigung bedeutet nicht, dass der Arbeitgeber den Inhalt anerkennen muss. Vielmehr kann der Arbeitgeber den Beweiswert anzweifeln, wenn berechtigte Gründe vorliegen.

Einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kommt ein bloßer Beweiswert zu

Ein Arbeitgeber kann den Beweiswert einer solchen Bescheinigung aber nicht deshalb anzweifeln, weil er subjektiv den Aussagen nicht glaubt. Vielmehr müssen nachvollziehbare Gründe vorliegen, die objektiv dafürsprechen, dass der Inhalt der Bescheinigung falsch ist. In der Vergangenheit hat das Bundesarbeitsgericht immer wieder bestimmte Sachverhaltskonstellationen festgestellt, die geeignet sind, um den hohen Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung anzuzweifeln. Zu diesen Gründen gehören beispielsweise:

- Der Arbeitnehmer erkrankt regelmäßig im Anschluss an einen bewilligten Urlaub.

- Der Arbeitnehmer erkrankt sehr häufig an Brückentagen.

- Der Arbeitnehmer kündigt seine Krankheit im Vorfeld an.

Das Bundesarbeitsgericht hat in einer ganz aktuellen Entschädigung vom 08.09.2021 – 5 AZR 149/21 diese Rechtsprechung fortgesetzt. In dem entschiedenen Fall ging es um eine Arbeitnehmerin, die das Arbeitsverhältnis von sich aus gekündigt hat. Sie legte nach der Kündigung eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung als Erstbescheinigung vor, die exakt den Zeitraum zwischen dem Zugang der Kündigung und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses deckte. Damit erreichte die Arbeitnehmerin, dass sie im Lauf der Kündigungsfrist nicht mehr arbeiten musste, ohne, dass sie nach den Grundsätzen des Entgeltfortzahlungsgesetzes ihre Vergütung verlieren würde.

Der Arbeitgeber zweifelte unter diesen Umständen die Echtheit der Krankheit an und sah den Beweiswert der AU-Bescheinigung als erschüttert an.

Das Bundesarbeitsgericht gab dem Arbeitgeber recht. Es führt aus, dass die Arbeitnehmerin zwar zunächst mit der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung die von ihr behauptete Arbeitsunfähigkeit nachgewiesen hat. Dieser Beweiswert ist aber erschüttert, wenn der Arbeitgeber tatsächliche Umstände darlegt und beweist, die Anlass zu ernsthaften Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit geben. Der Zusammenhang zwischen der Kündigung und der Krankheit würde ernsthafte Zweifel an der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit zulassen, so das BAG.

Kündigt ein Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis und legt er für den Zeitraum bis zum Ablauf der Kündigungsfrist dann eine AU-Bescheinigung vor, kann hierdurch der Beweiswert der Bescheinigung erschüttert sein.

Ist aber der Beweiswert einer solchen Bescheinigung erschüttert, muss der Arbeitnehmer nun auf andere Art und Weise darlegen und beweisen, dass er arbeitsunfähig war. Der Arbeitgeber kann in diesem Fall die Vergütung einbehalten. Der Arbeitnehmer müsste dann vor dem Arbeitsgericht gegen den Arbeitgeber klagen, um zu seinem Vergütungsanspruch zu gelangen. Im Prozess müsste er sich dann auf den ihn behandelnden Arzt berufen, den er auch von seiner Schweigepflicht entbinden muss. Kann der Arzt zur Überzeugung des Gerichts nicht bestätigen, dass der Arbeitnehmer arbeitsunfähig krank war, verliert der Arbeitnehmer seinen Vergütungsanspruch endgültig.

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