Krankheit während des Urlaubs

Veröffentlicht am 11.05.2022 von Dr. Jan Schöll - Kanzlei Dreher + Partner

Krankheit während des Urlaubs und ausländische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen

Der Frühling ist da und der Sommer naht. Corona hindert die Menschen nicht mehr am Reisen. Mit Beginn der Urlaubssaison wird der eine oder andere Arbeitnehmer eventuell auch mit einer Krankheit während des Urlaubs konfrontiert. Was ist dann zu tun und was gilt in diesen Fällen?

Verbringt der Arbeitnehmer seinen Urlaub in Deutschland, gelten für ihn keine Besonderheiten. Der Arbeitnehmer hat sich an das zu richten, was auch sonst gilt, wenn er außerhalb des Urlaubs, also während seiner üblichen Arbeitszeit erkrankt. Der Arbeitnehmer hat sich unverzüglich beim Arbeitgeber telefonisch oder in Textform krank zu melden. Je nachdem was vereinbart wurde und wie lange der Arbeitnehmer erkrankt, muss er dann eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AUB) vorlegen. Für die Dauer der Erkrankung werden ihm die Urlaubstage wieder gutgeschrieben. Das gilt natürlich nur, wenn die Krankheit auch zu einer Arbeitsunfähigkeit führen würde. Nicht jede Krankheit führt aber zu einer Arbeitsunfähigkeit. Hat sich bspw. ein Buchhalter im Urlaub das Bein gestoßen, mag er krank sein. Solange er sitzen kann, ist er aber nicht arbeitsunfähig krank.

Erkrankt ein Arbeitnehmer während des Urlaubs und wird er dadurch arbeitsunfähig, werden die Urlaubstage nicht verbraucht. Der Arbeitnehmer kann diese Urlaubstage später nehmen.
Dr. Jan Schöll

Für die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung gelten die üblichen Voraussetzungen, die in § 5 Abs. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz geregelt sind. Danach muss der Arbeitnehmer eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer vorlegen. Diese Vorschrift wird durch die sogenannte Arbeitsunfähigkeitsrichtlinie konkretisiert. Danach müssen bei der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung folgende Voraussetzungen eingehalten werden:

  • Die Bescheinigung muss von einem zugelassenen (approbierten) Arzt erteilt werden. Bescheinigungen die nur von einem medizinischen Hilfspersonal oder einem Heilpraktiker ausgestellt werden, genügen nicht.
  • Die Bescheinigung muss zwischen einer Erstbescheinigung und einer Folgebescheinigung unterscheiden.
  • Die Bescheinigung muss ein Datum angeben.
  • Der Beginn der Erkrankung muss angegeben werden.
  • Die Bescheinigung muss von dem Arzt unterschrieben werden.

Erkrankt der Arbeitnehmer im Ausland, gelten die Voraussetzungen entsprechend. Auch ausländische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen sind grundsätzlich genauso wie deutsche AU-Bescheinigungen zulässig und anerkannt. Die ausländische AU-Bescheinigung muss folgende Voraussetzungen erfüllen:

  • Die Bescheinigung muss ebenfalls von einem zugelassenen Arzt ausgestellt werden.
  • Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung muss im Übrigen der deutschen AUB entsprechen.
  • Die Bescheinigung muss lesbar sein.
  • Die Bescheinigung muss ins Deutsche übersetzt werden.
  • Sie muss erkennen lassen, dass der ausländische Arzt zwischen einer bloßen Erkrankung und einer mit einer Arbeitsunfähigkeit verbundenen Krankheit unterscheidet und eine mit dem deutschen Arbeitsrecht entsprechende Beurteilung vorgenommen hat.

Außerdem gilt der Grundsatz der unmittelbaren persönlichen Untersuchung. Die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit durch einen Arzt darf nur aufgrund einer persönlichen ärztlichen Untersuchung erfolgen.

Liegt eine dieser Voraussetzungen nicht vor, muss die ausländische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht anerkannt werden. Der Arbeitnehmer hat dann seine Erkrankung im Ausland nicht nachgewiesen. Dem Arbeitnehmer steht es frei, den Nachweis durch eine andere Form zu erbringen, etwa indem er den ausländischen Arzt von der Verschwiegenheitspflicht entbindet und der Arzt dem Arbeitgeber Auskunft erteilt, dass eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit aufgrund seiner persönlichen Feststellung vorlag.

 

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Die dargestellten Grundsätze für eine ausländische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung gelten unabhängig davon, ob die AUB in einem Land der Europäischen Union ausgestellt wurde oder in einem ausländischen Staat, der nicht Mitglied der EU ist.

Ausländische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen sind grundsätzlich in derselben Weise anerkannt wie deutsche Bescheinigungen. Es gelten aber bestimmte Besonderheiten.
Dr. Jan Schöll

Allerdings hat der Europäische Gerichtshof für Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen aus einem Mitgliedsstaat der EU entschieden, dass einer solchen Bescheinigung ein deutlich höherer Beweiswert zukommt, weil diese AUB als bindend angesehen werden müsste. In einer späteren Entscheidung hat der EuGH diesen Eindruck wieder korrigiert (EuGH NZA 1996, 635 f.). Das Bundesarbeitsgericht hat  klargestellt, dass an den Nachweis eines betrügerischen oder rechtsmissbräuchlichen Zustandekommens der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aus einem EU-Staat keine zu hohen Anforderungen gestellt werden dürfen. Einer in einem EU-Ausland ausgestellten AUB dürfte damit allenfalls ein nur geringfügig höherer prozessualer Beweiswert zukommen als einer in Deutschland ausgestellten AUB.

Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, die in einem Land außerhalb der EU ausgestellt wurde kommt im Allgemeinen der gleiche Beweiswert zu wie einer in Deutschland ausgestellten Bescheinigung (BAG NZA 1997, 652 ff.). Das gilt natürlich nur, soweit die obigen Voraussetzungen erfüllt sind. Wenn aber bei einer ausländischen Bescheinigung nicht einmal erkennbar ist, ob sie von einem zugelassenen Arzt erteilt wurde, muss sie nicht anerkannt werden.

Erfüllt die ausländische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht die oben dargestellten Voraussetzungen, so hat der Arbeitnehmer sein krankheitsbedingtes Fehlen nicht nachgewiesen. Der Arbeitgeber kann dann trotz der behaupteten Erkrankung die Urlaubstage anrechnen. Alternativ könnte der Arbeitgeber die Urlaubstage zwar gutschreiben, während der Arbeitnehmer behauptet, krank gewesen zu sein. Gleichzeitig könnte der Arbeitgeber dann im Sinne von § 7 Abs. 1 Nr. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz die Vergütung für die behauptete Dauer der Erkrankung verweigern.

 

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