Die Personalgestellung – eine unzulässige Arbeitnehmerüberlassung?

Veröffentlicht am 19.08.2021 von Dr. Jan Schöll, Rechtsanwalt - Kanzlei Dreher + Partner

Was in der Privatwirtschaft schon lange nicht mehr erlaubt ist, ist im Bereich des öffentlichen Dienstes noch immer völlig normal: Die Möglichkeit, dass ein Arbeitnehmer dauerhaft bei einem anderen Arbeitgeber eingesetzt wird. Seit vielen Jahren hat der Gesetzgeber die Möglichkeit der Arbeitnehmerüberlassung mehr und mehr beschränkt. Unter anderem ist ein solcher Drittpersonaleinsatz nur möglich, wenn der Vertragsarbeitgeber über eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis verfügt und der Arbeitnehmer an dasselbe Unternehmen nicht länger als 18 Monate entliehen wird. Überschreiten der Verleiher und der Entleiher diese Grenze, sind mannigfache Rechtsfolgen hieran geknüpft. Es besteht die Möglichkeit, dass der überlassene Arbeitnehmer seinen bisherigen Arbeitgeber verliert und Arbeitnehmer des Entleihunternehmens wird. Der Verleiher riskiert ein Bußgeld. Außerdem drohen die Nachentrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen und von Steuer.  

Der Bereich des öffentlichen Dienstes ist insoweit privilegiert. § 4 Abs. 3 TVöD sieht vor, dass ein Arbeitnehmer von einem Arbeitgeber des öffentlichen Rechts dauerhaft an einen anderen Arbeitgeber des öffentlichen Rechts entliehen werden darf, ohne dass der Vertragsarbeitgeber einer entsprechenden Genehmigung bedarf. Damit das zulässig ist, regelt § 1 Abs. 3 Nr. 2 b AÜG, dass die Personalgestellung gem. § 4 Abs. 3 TVöD keine unzulässige Arbeitnehmerüberlassung darstellt.  

„Im Bereich des öffentlichen Dienstes ist im Wege der Personalgestellung die dauerhafte Überlassung eines Arbeitnehmers an einen dritten Arbeitgeber bisher noch zulässig.“

Das Bundesarbeitsgericht stellt aber nun die Frage, ob diese Privilegierung rechtlich noch zulässig ist. Da die Arbeitnehmerüberlassung auf eine europäische Richtline zurückgeht, ist in letzter Instanz der Europäische Gerichtshof (EuGH) für die Vereinbarkeit des Deutschen Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes mit der Europäischen Richtlinie zuständig. Mit seinem Beschluss vom 16.06.2021 – 6 AZR 390/20 (A) hat das Bundesarbeitsgericht dem EuGH die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob die oben dargestellte Privilegierung der Personalgestellung als zulässige dauerhafte Arbeitnehmerüberlassung möglicherweise gegen die Richtlinie 2008/104/EG verstößt. Das BAG möchte mit seiner Vorlage wissen, ob die Personalgestellung nach § 4 Abs. 3 TVöD überhaupt unter diese Leiharbeitsrichtlinie fällt und falls ja, ob die Ausnahmeregelung von § 1 Abs. 3 Nr. 2 b AÜG zulässig ist.  

„Das Bundesarbeitsgericht hat die Frage der Zulässigkeit der Personalgestellung dem Europäischen Gerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.“

Mit großer Spannung darf abgewartet werden, wie der EuGH diese Frage entscheiden wird. Sollte der EuGH zum Schluss kommen, dass die Personalgestellung eine unzulässige Form der Arbeitnehmerüberlassung darstellt, hätte dies massive Auswirkungen für den öffentlichen Arbeitgeber. Der öffentliche Arbeitgeber könnte seine bisherige Praxis nicht weiter aufrechterhalten und müsste seine Organisationsstrukturen neu fassen.  

In der Regel können sich Arbeitgeber selbst dann auf die Wirksamkeit einer bestimmten Vorschrift berufen, wenn diese später von einem höherrangingen Gericht für unwirksam erklärt wird. Man spricht in diesem Fall von dem Vertrauensschutz. Allerdings bestehen erhebliche Zweifel daran, dass der Vertrauensschutz jetzt noch gegeben ist, weil mit dem Vorlagebeschluss des BAG vom 16.06.2021 klar ist, dass diese Frage auf dem Prüfstand steht. Bei einer Personalgestellung ist deshalb zumindest ab diesem Zeitpunkt Vorsicht geboten.  

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