Probezeit – Mythen: was ist wahr und was ist unwahr?

Veröffentlicht am 02.01.2023 von Dr. Jan Schöll - Kanzlei Dreher + Partner

Rund um das Thema Probezeit gibt es nicht nur viel Halbwissen, sondern auch sehr verbreitet falsche Informationen. Zeit, dies aufzuklären.

Was bedeutet die Probezeit?

Die Probezeit ist gesetzlich in § 622 BGB geregelt. Sie bedeutet, dass sowohl der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer während der Dauer der Probezeit das Arbeitsverhältnis mit einer kürzeren Frist kündigen kann. Die sonst anzuwendende gesetzliche Mindestkündigungsfrist verkürzt sich auf zwei Wochen zu jedem Zeitpunkt. Eine andere Bedeutung als die Verkürzung der Kündigungsfrist hat die Vereinbarung der Probezeit nicht.

Gilt eine Probezeit automatisch, also immer, wenn ein Arbeitsverhältnis neu beginnt?

Nein, die Probezeit muss ausdrücklich vereinbart werden. Das kann sowohl mündlich als auch schriftlich geschehen. Bei einer mündlichen Vereinbarung kann aber ein Beweisproblem entstehen. Deshalb ist zu empfehlen, die Probezeit schriftlich zu vereinbaren.

Beträgt die Probezeit immer 6 Monate?

Es gibt keinen Automatismus, dass die Probezeit immer 6 Monate beträgt. Die Dauer der Probezeit muss ebenso wie die Probezeit selbst ausdrücklich vereinbart werden. So ist es denkbar, dass die Parteien eines Arbeitsvertrages eine Probezeit nur von einem, zwei, drei oder eben 6 Monaten vereinbaren.

Ist eine Probezeit von mehr als 6 Monaten zulässig?

Es ist gesetzlich nicht von vorne herein ausgeschlossen, eine längere als 6-monatige Probezeit zu vereinbaren. Das Bundesarbeitsgericht hält eine 6-monatige Probezeit als Regelfall für zulässig. Bei einer längeren Dauer wird der Arbeitgeber begründen müssen, weshalb die Anforderungen an die Stelle so hoch sind, dass eine Entscheidung über die Eignung des Arbeitnehmers für die konkrete Stelle innerhalb der üblichen Probezeit von maximal 6 Monaten nicht möglich ist.

Ist es richtig, dass ein Arbeitgeber in der Probezeit immer grundlos kündigen kann?

Nein, das ist eindeutig nicht der Fall. Gerade das ist ein unzutreffender Mythos, der leider weit verbreitet ist. Da die Vereinbarung der Probezeit nur Auswirkungen auf die Kündigungsfrist hat, besteht kein Zusammenhang zwischen der Probezeit und dem Erfordernis eines Kündigungsgrundes.

Ob ein Arbeitgeber grundlos kündigen kann oder ob die Kündigung sozial gerechtfertigt sein muss hängt nicht von der Vereinbarung einer Probezeit ab, sondern ausschließlich von der Frage der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes. Das Kündigungsschutzgesetz greift frühestens nach Ablauf der ersten 6 Monate. Da die Probezeit regelmäßig 6 Monate beträgt gibt es einen zufälligen Gleichklang mit der 6-monatigen Frist, ab der das Kündigungsschutzgesetz anwendbar ist.

Nur wenn das Kündigungsschutzgesetz greift, bedarf es für die Kündigung eines Kündigungsgrundes gem. § 1 KSchG.

Dazu zwei Beispiele:

Vereinbaren Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine Probezeit von nur drei Monaten, so findet das Kündigungsschutzgesetz in den folgenden drei Monaten trotzdem keine Anwendung. Der Arbeitgeber kann also im vierten, fünften oder sechsten Monat immer noch grundlos kündigen. In diesen Monaten gilt aber die längere Kündigungsfrist.

Wird eine Probezeit von ausnahmsweise 8 Monaten vereinbart, so kann der Arbeitgeber trotzdem nach dem 6. Monat nicht mehr grundlos kündigen. Er dürfte zwar die kürzere Kündigungsfrist anwenden, die während einer wirksamen Probezeitvereinbarung gilt. Trotzdem müsste seine Kündigung sozial gerechtfertigt sein und der Arbeitnehmer könnte auch hiergegen eine Kündigungsschutzklage erheben.

Macht eine Verlängerung der Probezeit unter diesen Umständen nach dem sechsten Monat Sinn, wenn sich der Arbeitgeber unsicher ist, ob er das Arbeitsverhältnis fortführen soll?

Wenn es dem Arbeitgeber darum geht, nach dem sechsten Monat immer noch erleichtert kündigen zu können, also ohne Grund, so macht die Verlängerung der Probezeit keinen Sinn.

Gibt es für den Arbeitgeber dann überhaupt eine Möglichkeit, sein eigentliches Ziel der Probezeitverlängerung zu erreichen, wenn es ihm darum geht, das Arbeitsverhältnis auch nach 6 Monaten erleichtert zu beenden?

Ja, eine solche Möglichkeit gibt es. Diese besteht darin, dass der Arbeitgeber innerhalb der ersten 6 Monate kündigt, allerdings mit einer deutlich verlängerten Kündigungsfrist. Er kündigt also bspw. nach 5 Monaten und 3 Wochen nicht mit einer 2-wöchigen Frist, sondern mit einer 3 oder 4-monatigen Kündigungsfrist. Wenn sich der Arbeitgeber in dieser Konstellation im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts korrekt verhalten will, müsste er die Kündigung mit einer Wiedereinstellungszusage verbinden. Diese hätte zur Folge, dass der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung erhält, wenn er sich innerhalb des verlängerten Zeitraums bewährt. Die Frage, mit welcher verlängerten Frist der Arbeitgeber in diesem Fall in den ersten sechs Monaten kündigen darf ist in der Rechtsprechung stark umstritten. Teilweise wird auf die längste gesetzliche Kündigungsfrist abgestellt, was 7 Monate entsprechen würde. Teilweise wird nur eine Verlängerungsfrist von 3-4 Monaten für wirksam erachtet.

Ist eine Kündigungsschutzklage innerhalb der Probezeit immer erfolglos?

Nachdem die Probezeit mit der Frage des Kündigungsschutzes nichts zu tun hat, ist die Fragestellung dem Grunde nach unrichtig. Da das Kündigungsschutzgesetz in den ersten 6 Monaten aber nicht eingreift, konkretisiert sich die Frage darauf, ob ein Arbeitgeber in den ersten 6 Monaten immer gefahrlos kündigen kann oder der Arbeitnehmer die Möglichkeit hat, auch innerhalb der sogenannten Wartefrist, also der ersten 6 Monate erfolgreich eine Kündigungsschutzklage erheben kann.

Unter sehr engen Voraussetzungen ist dies denkbar. Denn auch außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes gibt es zahlreiche Vorschriften, die einen Arbeitnehmer vor einer Kündigung schützen. Das ist beispielsweise in den Fällen einer Schwangerschaft oder einer Elternzeit der Fall. Im Übrigen muss die Kündigung auch formelle Anforderungen erfüllen, also beispielsweise im Original vom Berechtigten unterzeichnet sein und zugehen. Außerdem darf eine Kündigung nicht gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verstoßen, also beispielsweise  nicht aufgrund des Alters, einer Schwerbehinderung oder des Geschlechts ausgesprochen werden. Verstöße hiergegen können auch innerhalb der ersten 6 Monate erfolgreich mit einer Kündigungsschutzklage angegriffen werden.

Trifft es zu, dass während der Probezeit eine Urlaubssperre besteht?

Nein, das ist nicht der Fall. Der Urlaub entsteht nach den Grundsätzen des Bundesurlaubsgesetzes Monat für Monat. Arbeitet der Arbeitnehmer also einen vollen Monat, so erwirbt er erstmals einen Urlaubsanspruch in Höhe von 1/12. Diesen Urlaub darf er beantragen, sobald er entstanden ist. Nach 6 Monaten entsteht dann erstmals der volle Urlaubsanspruch.

Stimmt es, dass ein Arbeitnehmer während einer Erkrankung in der Probezeit kein Gehalt erhält?

In dieser Absolutheit ist das nicht richtig. Die Frage, ob ein Arbeitnehmer im Krankheitsfall einen Gehaltsanspruch erhält, hat mit der Vereinbarung einer Probezeit nichts zu tun. Der Gesetzgeber regelt im Entgeltfortzahlungsgesetz allerdings, dass ein Entgeltanspruch in den ersten vier Wochen des Bestehens des Arbeitsverhältnisses nicht entsteht. Im Krankheitsfall hat der Arbeitnehmer also in den ersten vier Wochen keinen Vergütungsanspruch. Danach entsteht aber der Anspruch auf Vergütung im Krankheitsfall völlig unabhängig davon, ob eine Probezeit vereinbart ist oder nicht.

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