Sturm und Unwetter – Rechte und Pflichten von Arbeitnehmern

Veröffentlicht am 28.04.2021 von Patrik Wallenstein, Rechtsanwalt - Kanzlei Dreher + Partner

Jüngst hat der Sturm „Sabine“ zu erheblichen Wetterkapriolen geführt. Die Auswirkungen auf den Schienen– und Straßenverkehr waren deutlich zu spüren. Viele Menschen kamen deshalb überhaupt nicht oder nur verspätet zur Arbeit. Teilweise wurden Schulen und Kindergärten geschlossen, weswegen eine Betreuung der Kinder nicht gewährleistet war. Aus arbeitsrechtlicher Sicht stellt sich die Frage, wie derartige Ereignisse sich auf das Arbeitsverhältnis auswirken.

Herr Wallenstein, müssen Arbeitnehmer auch bei Eis und Schnee oder einem Unwetter rechtzeitig zur Arbeit erscheinen?
Ja, grundsätzlich muss der Arbeitnehmer auch in diesen Fällen rechtzeitig am Arbeitsplatz erscheinen. Er trägt das sogenannte Wegerisiko. Der Arbeitnehmer ist also dafür verantwortlich, seine Fahrt zur Arbeit auch bei Verkehrsstörungen wegen des Wetters so zu organisieren, dass er pünktlich am Arbeitsplatz erscheint. Das bedeutet etwa, dass man früher aufstehen oder den eigenen Pkw benutzen muss, wenn die Bahn nicht fährt.

Hat es Konsequenzen, wenn der Mitarbeiter wegen des Wetters zu spät oder gar nicht zur Arbeit kommt?
Für diesen Fall drohen arbeitsrechtliche Konsequenzen. So kann der Arbeitgeber z.B. eine Abmahnung erteilen. Denn wie gesagt trägt der Arbeitnehmer das Wegerisiko, muss also selbst dafür sorgen, rechtzeitig am Arbeitsplatz zu erscheinen. Es macht aber durchaus auch einen Unterschied, ob der Arbeitnehmer wegen eines vorhergesagten Unwetters oder eines plötzlichen Wintereinbruchs zu spät kommt. Denn der Arbeitgeber kann eine Abmahnung nur dann erteilen, wenn der Arbeitnehmer schuldhaft handelt. Ist die Wetterentwicklung völlig überraschend gewesen und konnte der Arbeitnehmer deshalb seinen Weg zur Arbeit der Wetterentwicklung nicht anpassen, handelt er nicht schuldhaft. Wurden Eis und Schnee allerdings angekündigt, muss der Mitarbeiter eben früher aufstehen, um rechtzeitig am Arbeitsplatz zu erscheinen. Macht er das nicht, handelt er schuldhaft. Der Arbeitgeber kann dann grundsätzlich eine Abmahnung erteilen.

Muss der Arbeitnehmer den Arbeitgeber informieren, wenn er es nicht schafft, pünktlich zu erscheinen?
Das ist unbedingt erforderlich. Den Arbeitnehmer trifft eine Nebenpflicht, den Arbeitgeber darüber zu unterrichten, wenn er etwa wetterbedingt verspätet oder gar nicht zur Arbeit erscheint. Unterrichtet er den Arbeitgeber nicht, riskiert er die Erteilung einer Abmahnung. Wiederholt sich dieses Verhalten, kann der Arbeitgeber sogar eine Kündigung erklären.

Welche Auswirkungen hat es auf die Vergütung, wenn der Arbeitnehmer wegen des Wetters gar nicht oder verspätet zur Arbeit erscheint?
Es gilt der Grundsatz „ohne Arbeit kein Lohn“. Wer also nicht arbeitet, kann auch keine Bezahlung verlangen. Das ist allerdings nicht immer so. Eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass der Arbeitnehmer keine Vergütung erhält, wenn er nicht arbeitet, ist gesetzlich in §616 BGB geregelt. Danach behält der Arbeitnehmer seinen Vergütungsanspruch dann, wenn er für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Erbringung der Arbeitsleistung gehindert ist. Die Gründe, die dazu führen, dass der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung nicht erbringt, müssen dabei gerade in seiner Person bestehen. Es handelt sich z.B. um Fälle einer erforderlichen Betreuung von kranken Kindern oder um die Fälle, in denen der Arbeitnehmer eine öffentlichrechtliche Verpflichtung wahrnimmt, wie etwa die Verpflichtung als Zeuge bei Gericht zu erscheinen. Auch eine Eheschließung oder eine Beerdigung im näheren Familienkreis fallen hierunter. Es müssen aber
immer subjektive, persönliche Leistungshindernisse bestehen, die nur den einen Mitarbeiter betreffen. Rein objektive Leistungshindernisse, die jeden treffen, sind hier nicht erfasst.

Was ist ein solches objektives Leistungshindernis?
Unter objektiven Leistungshindernissen sind solche Hindernisse zu verstehen, die ihre Ursache nicht in der persönlichen Sphäre eines Arbeitnehmers haben, sondern zur selben Zeit für mehrere Arbeitnehmer gleichzeitig vorliegen. Darunter sind z.B. Probleme auf dem Weg zur Arbeit wie Schneeverwehungen, Glatteis oder gesperrte Straßen wegen umgestürzter Bäume zu verstehen. Für diese Fälle kommt § 616 BGB nicht zur Anwendung. Es bleibt dann bei dem Grundsatz, dass der Arbeitnehmer keine Vergütung erhält, wenn er nicht arbeitet.

Gilt das auch, wenn z.B. Schulen und Kindergärten wegen des Sturms geschlossen sind?
Das kommt drauf an. Ist das Kind noch relativ klein und kann nicht alleine gelassen werden, kann ein Anspruch des Arbeitnehmers aus § 616 BGB gegeben sein. Denn die Kinderbetreuung ist grundsätzlich ein in der Person des Arbeitnehmers liegender subjektiver Grund. Das ist allerdings einzelfallabhängig. Wenn – wie jetzt bei „Sabine“ – schon früh bekannt war, dass es wegen des Sturms zu Schwierigkeiten bei der Betreuung des Kindes kommen kann, ist der Arbeitnehmer verpflichtet, für eine Betreuung des Kindes zu sorgen und etwa die Großeltern für die Betreuung zu organisieren. Auch ist es zumutbar, ein schon etwas größeres Kind für einen überschaubaren Zeitraum allein zu lassen, wenn es gesund ist. Unabhängig hiervon lohnt in jedem Fall eine Blick in den Arbeitsvertrag. Die Regelungen des § 616 BGB, nach denen der Arbeitnehmer seinen Vergütungsanspruch unter Umständen nicht verliert, können im Arbeitsvertrag aufgehoben werden. Wenn das der Fall ist, kann der Arbeitnehmer auf keinen Fall eine Vergütung für die verpasste Arbeitszeit verlangen.

Könnte man versäumte Arbeitszeit nicht nachholen?
Das ist grundsätzlich nicht möglich. Denn die Verpflichtung zur Arbeitsleistung ist eine sogenannte Fixschuld. Sie kann also nur zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt erbracht werden. Ein Nachholen der Arbeitsleistung ist nicht möglich.

 

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