Urlaub - Aktuelle Rechtsfragen

Veröffentlicht am 26.07.2021 von Dr. Jan Schöll, Rechtsanwalt - Kanzlei Dreher + Partner

Wie viel Jahresurlaub steht mir zu? 

Das hängt davon ab, ob dem Arbeitnehmer nur der gesetzliche Mindesturlaub zusteht oder ob in einem Arbeitsvertrag oder in einem einschlägigen Tarifvertrag ein zusätzlicher Urlaubsanspruch geregelt ist.  
Gilt nur der gesetzliche Urlaubsanspruch, etwa weil kein schriftlicher Arbeitsvertrag abgeschlossen wurde und mündlich nichts Besonderes geregelt ist, hat ein Arbeitnehmer Anspruch auf 24 Werktage Urlaub pro Kalenderjahr. Dabei ist aber zu beachten, dass der Gesetzgeber diese 24 Werktage nur auf der Grundlage einer 6-Tage-Woche gewährt. Arbeitet ein Arbeitnehmer weniger als an 6 Tagen pro Woche wird der Urlaub entsprechend anteilig berechnet. Dabei gilt folgende Formel: 24 Urlaubstage pro Jahr ÷ 6/Tage pro Woche x Tage, an denen der Arbeitnehmer tatsächlich arbeitet.  

Für einen Arbeitnehmer der durchschnittlich 3 Tage pro Woche arbeitet ergibt sich also folgende Berechnung (24 ÷ 6 x 3 =) 12 Tage Urlaub pro Kalenderjahr.  

Ein Arbeitgeber kann darüber hinaus zusätzliche Urlaubstage gewähren. Verpflichtet ist er dazu nicht.

Habe ich in den ersten 6 Monaten eine Urlaubssperre? 

Nein, eine solche Urlaubssperre gibt es nicht. Der Urlaub entsteht in den ersten 6 Monaten für jeden vollen Monat in Höhe von 1/12 des Jahresurlaubsanspruchs. Hat ein Arbeitnehmer beispielsweise 30 Tage Urlaub pro Kalenderjahr, so steht ihm pro Monat, den er beschäftigt ist, 2,5 Urlaubstage zu. Bereits ab dem vollen zweiten Monat hat er dann einen Urlaubsanspruch von 5 Tagen, den er auch beantragen kann.  
Besteht das Arbeitsverhältnis länger als 6 Monate, entsteht der volle Urlaubsanspruch. In der Folgezeit entsteht dann jeweils zum Jahresbeginn erneut der volle Urlaubsanspruch für das laufende Kalenderjahr. 

Wenn ich aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb eines Jahres ausscheide, wie viel Urlaub steht mir dann für dieses Jahr zu? 

Das kommt darauf an, ob der Arbeitnehmer bis zum 30.06., also in der ersten Jahreshälfte oder danach, also in der zweiten Jahreshälfte ausscheidet. Ein Arbeitnehmer, der in der ersten Jahreshälfte ausscheidet erhält nur für jeden vollen Monat den er in diesem Jahr beschäftigt war den anteiligen Urlaubsanspruch. Wer also beispielweise zum 30.04. ausscheidet, erhält 4/12 seines Urlaubsanspruchs. Bei 30 Tagen Urlaub pro Kalenderjahr erhält er also einen anteiligen Urlaubsanspruch von 10 Tagen. Etwas anderes gilt aber, wenn der Arbeitnehmer in der zweiten Jahreshälfte ausscheidet. Denn dann besteht im Umkehrschluss aus § 5 BUrlG der volle Urlaubsanspruch. Obwohl der Arbeitnehmer also nicht das ganze Jahr bei diesem Arbeitgeber gearbeitet hat, muss dieser alte Arbeitgeber trotzdem auf Verlangen des Arbeitnehmers den vollen Urlaub gewähren. 

Wenn ich zum 31.08. aus dem Arbeitsverhältnis ausscheide und den vollen Jahresurlaub erhalten habe, entsteht  dann für dasselbe Jahr bei dem neuen Arbeitgeber nochmals Urlaub – gegebenenfalls anteilig? 

Nein, das ist nicht der Fall. Der neue Arbeitgeber hat, um dies zu prüfen, das Recht, von dem alten Arbeitgeber eine Urlaubsbescheinigung anzufordern. Dann kann er erkennen, ob sein neuer Arbeitnehmer schon den ganzen Urlaub beim Altarbeitgeber erhielt oder ob noch Urlaubsansprüche offen sind. Ergibt sich aus der Bescheinigung, dass schon der ganze Urlaub genommen wurde, muss der neue Arbeitgeber den Urlaub nicht zusätzlich gewähren. In der Praxis wird diese Regelung allerdings nicht sehr strikt gehandhabt und viele Arbeitnehmer erhalten trotz der vollen Abgeltung des gesamten Urlaubs zusätzlich beim neuen Arbeitgeber für dasselbe Kalenderjahr nochmals einen (Teil-)urlaub. 

Wenn ich einen Urlaubsantrag stelle und der Arbeitgeber  hierauf nicht reagiert und der Urlaubszeitpunkt naht, darf ich dann einfach so den Urlaub antreten? 

In diesem Fall spricht man davon, ob es ein „Recht auf Selbstbeurlaubung“ gibt. Ein solches Recht gibt es aber nicht. Auch wenn der Arbeitnehmer den Urlaub beantragt und immer wieder nach der Bewilligung fragt, gibt ihm allein dies nicht das Recht, eigenmächtig den Urlaub anzutreten. Tut er dies, riskiert er eine Kündigung, eventuell sogar eine Fristlose.

Was kann ich also tun, wenn der Arbeitgeber trotz mehrfacher Anfrage den Urlaub nicht bewilligt?  

In diesem Fall muss der Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber klagen. Er hat die Möglichkeit, dies im Eilverfahren (sogenannte einstweilige Verfügung) zu tun. Er erhält dann binnen weniger Tage ein Urteil. Das Urteil tritt dann an die Stelle der bisher ausstehenden Urlaubsbewilligung. Auf der Grundlage dieser einstweiligen Verfügung hat der Arbeitnehmer dann das Recht, den Urlaub anzutreten ohne dass er Sorge haben muss, dass er gekündigt wird. Dass eine solche Klage das Arbeitsverhältnis natürlich belastet, darf nicht übersehen werden.

Nach dem Gesetz verfällt nicht genommener Urlaub zum 31.12., spätestens aber zum 31.03. des Folgejahres. Ist das immer so? 

Nach § 7 Abs. 3 BUrlG verfällt der Urlaubsanspruch gemäß dem Willen des Gesetzgebers zum Ende des Kalenderjahres. Nach der aktuellen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, der sich das Bundesarbeitsgericht angeschlossen hat, gilt das jetzt aber nur dann, wenn der Arbeitgeber alles dazu getan hat, dass der Urlaub vom Arbeitnehmer bis zum Ende des Kalenderjahres auch genommen werden kann. Dazu muss der Arbeitgeber den Urlaub zwar von sich aus nicht zuweisen, also anordnen. Er ist aber verpflichtet, den Arbeitnehmer darüber aufzuklären, wie viel Urlaub noch offen ist und dass dieser Urlaub verfällt, wenn er bis zum Jahresende nicht genommen wurde.  Grundsätzlich sollte der Arbeitgeber deshalb den Arbeitnehmer – schon aus Beweisgründen – möglichst schriftlich darüber unterrichten

  • wie viel Urlaubstage den Arbeitnehmern noch bis zum Jahresende zustehen.
  • dass der Arbeitnehmer den Urlaub so rechtzeitig nehmen soll, dass er bis zum Jahresende noch vollständig aufgebraucht ist.
  • dass der Urlaub vollständig verfällt, wenn er bis zum Jahresende nicht genommen wird.

Nicht ausreichend ist dafür, dass Arbeitnehmer nur pauschal darauf hingewiesen werden, dass nicht genommene Urlaubstage verfallen. Die Rechtsprechung verlangt eine Individualisierung dahingehend, dass ganz konkret die noch offenen Urlaubstage beziffert werden, die dem einzelnen Arbeitnehmer in dem fraglichen Zeitraum noch zustehen. Diese Information kann auch schon zu Beginn des Kalenderjahres erteilt werden. Sie muss nach Auffassung des BAG im laufenden Jahr nicht dauernd aktualisiert werden. Zu empfehlen ist dies nicht, weil dies vor allem in Fällen zu Schwierigkeiten führen kann, bei denen die Ermittlung des Umfangs oder des Resturlaubsanspruchs nicht eindeutig ist, etwa weil ein Arbeitnehmer nicht regelmäßig an gleich vielen Tagen pro Woche arbeitet. Sicherer ist es deshalb, wenn die Erklärung zum Jahresende im obigen Sinne rechtzeitig erfolgt.  

Steht einem Arbeitnehmer auch Urlaub zu, wenn er Elternzeit nimmt und in der Elternzeit gar nicht arbeitet?  

Ja, das ist in der Tat der Fall. Das ergibt sich aus § 17 BEEG. 

Allerdings hat der Arbeitgeber das Recht, den in der Elternzeit entstandenen Urlaub wieder zu kürzen, und zwar um 1/12 für jeden vollen Monat, in dem die Elternzeit bestand. Hat ein Elternteil die Elternzeit nur für einen Monat genommen, aber nicht vom ersten bis zum letzten des Monats, sondern beispielsweise vom 15. des einen bis zum15. des anderen Monats, so bestand die Elternzeit in keinem der beiden Monate für die Dauer eines ganzen Monats. In diesem Fall steht dem Arbeitgeber kein Kürzungsrecht des Urlaubs zu. Der Arbeitnehmer erhält dann den Urlaubsanspruch, wie wenn das Arbeitsverhältnis durch die Elternzeit nicht unterbrochen worden wäre. Der Arbeitgeber muss die Kürzung des in der Elternzeit entstandenen Urlaubs aber ausdrücklich erklären. Das kann er auch noch nach Ablauf der Elternzeit, längstens aber bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Geschieht dies bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht, so kann der Arbeitnehmer den Urlaub, der in der Elternzeit entstanden ist, abgelten lasen. Das kann für einen Arbeitgeber sehr teuer werden.

Oft werden Arbeitnehmer nach Erhalt einer Kündigung freigestellt. Wird der Urlaub durch eine solche Freistellung automatisch verbraucht? 

Nein, das ist nicht der Fall. Der Urlaub wird durch eine Freistellung nicht automatisch zugewiesen. Will der Arbeitgeber mit der Freistellung gleichzeitig den Urlaub abbauen, so muss er das ausdrücklich regeln. Er muss also klarstellen, dass die Freistellung „unter Anrechnung von Urlaubsansprüchen“ erfolgt. Außerdem muss der Arbeitgeber ausdrücklich klarstellen, dass die Freistellung unwiderruflich erfolgt. Stellt der Arbeitgeber dies nicht klar, muss er die Vergütung in der Freistellungsphase bezahlen, ohne dass der Urlaub verbraucht wird. Der Arbeitnehmer kann dann später den Urlaub nehmen, falls sich herausstellt, dass die Kündigung unwirksam ist oder hat einen Abgeltungsanspruch des Resturlaubs, falls die Kündigung wirksam war.  

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