Was tun nach wiederholter Arbeitsunfähigkeit?

Veröffentlicht am 28.04.2022 von Patrick Wallenstein - Kanzlei Dreher + Partner

Das BAG hat entschieden, dass ein Arbeitgeber grundsätzlich ein neuerliches betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM) durchführen muss, wenn der Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres nach Abschluss des bEM erneut länger als sechs Wochen durchgängig oder wiederholt arbeitsunfähig erkrankt war. Unterbleibt die Wiederholung des bEM, kann eine personenbedingte, auf Krankheit gestützte Kündigung unwirksam sein (BAG, Urteil vom 18.11.2021, Az. 2 AZR 138/21).

In dem entschiedenen Rechtsstreit hatten Arbeitgeber und Arbeitnehmer über die Wirksamkeit einer ordentlichen personenbedingten Kündigung gestritten. Der Arbeitgeber hatte die Kündigung darauf gestützt, dass der Arbeitnehmer wiederholt arbeitsunfähig erkrankt war. Denn der Kläger war in den Jahren vor Ausspruch der Kündigung jeweils mehr als sechs Wochen arbeitsunfähig erkrankt gewesen. Auf Einladung der Arbeitgeberin hatten die Parteien deshalb am 05.03.2019 ein Gespräch zum Zwecke eines bEM geführt. Nach dem 05.03.2019 war der Kläger erneut an mehr als 79 Arbeitstagen, also wiederum für mehr als sechs Wochen arbeitsunfähig erkrankt. Daraufhin hat die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis gekündigt.

Die Wirksamkeit einer auf Krankheit gestützten Kündigung setzt grundsätzlich voraus, dass der Arbeitgeber vor Ausspruch der Kündigung ein bEM durchgeführt hat. Die Kündigung ist grundsätzlich nicht durch Krankheit „bedingt", wenn es angemessene mildere Mittel zur Vermeidung oder Verringerung künftiger Fehlzeiten geben würde. Wenn mildere Mittel als der Ausspruch einer Kündigung gegeben sind, ist die Kündigung unwirksam Zwar ist die Durchführung des bEM kein milderes Mittel in diesem Sinne. Das Verfahren konkretisiert jedoch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Denn im Rahmen des bEM können mildere Mittel als die Beendigung des Arbeitsverhältnisses erkannt und entwickelt werden. So könnte sich etwa ergeben, dass weitere Fehlzeiten vermieden werden, indem dem Arbeitnehmer etwa unterstützende Hilfen zur Verfügung gestellt werden. Deshalb verlangt das Bundesarbeitsgericht, dass vor Ausspruch einer auf Krankheit gestützten Kündigung das Eingliederungsmanagement durchgeführt wird. Unterbleibt das Eingliederungsmanagement, kann sich die Kündigung als unwirksam erweisen.

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Hier hatte der Arbeitgeber das Eingliederungsmanagement zwar durchgeführt. Die Besonderheit im durch das BAG entschiedenen Fall ist aber, dass die Arbeitgeberin nach Auffassung des BAG nach § 167 Abs. 2 SGB IX die Initiative für ein erneutes, weiteres bEM hätte ergreifen müssen. Der Arbeitgeber muss danach grundsätzlich ein neuerliches bEM durchführen, wenn der Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres nach Abschluss eines vorangegangenen bEM wiederum länger als sechs Wochen durchgängig oder wiederholt arbeitsunfähig erkrankt, und zwar auch dann, wenn nach dem zuvor durchgeführten bEM nicht wieder ein Jahr vergangen sei.

Praxishinweis

Die Entscheidung ist sehr praxisrelevant. Zukünftig müssen Arbeitgeber grundsätzlich ein neuerliches bEM durchführen, wenn ein Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres nach Abschluss des vorangegangenen bEM erneut länger als sechs Wochen durchgängig oder wiederholt arbeitsunfähig erkrankt war. Deshalb müssen Arbeitgeber wohl spätestens sechs Wochen vor Ausspruch einer krankheitsbedingten Kündigung ein erneutes Eingliederungsmanagement durchführen, wenn sie nicht Gefahr laufen wollen, dass man ihnen entgegenhält, dass die Kündigung unverhältnismäßig ist und man gerade durch das neue betriebliche Eingliederungsmanagement mildere Mittel als die Kündigung erkannt und entwickelt hätte.

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